Das Dokument liegt vor als handbeschriebenes  "Registerbuch"(Außenaufdruck), ursprünglich verkauft von J.Fischer-Weins in Wittlich (Innenklebezettel für Wiederbestellungen), mit  Innendeckblatt: fritsch 1942  (frühere Eintragungen v.Hellmuth Fritsch werden hier kursiv wiedergegeben), ein am rechten Rand befindliches , mit rot-blauen alphabetische Registerdas  von Hellmuth Fritsch offenbar für angefangene Unterrichtsvorbereitungen  genutzt wurde- die Seite mit "Kunstlied" findet sich also unter  K. Am Schluss des in Packpapier eingeschlagenen Buches finden sich weitere 6 Blätter lose in der Schrift von Aenne Fritsch. Schreibweise von Namen wurde, wo nötig, angeglichen. Daten am linken Rand werden fett gesetzt.

Tagebuch für Johannes und Helmut Fritsch
(angefangen am 18.2.44) anlässlich einer Lungenentzündung
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 Köln-Buchforst, Archimedesstr. 48 bei Piel - - -
19.10.39 - Heute ist unser Hochzeitstag. Wir müssen nach Mülheim zum Standesamt. - Leo Hoffmann und Herr Piel sind Trauzeugen. - Leo muß wieder nach Hause; er hat sein Hausstandsbuch vergessen. - Wir gehen schon langsam rüber nach Mülheim. Er wird mit Hilfe der Taxe schon - pünktlich da sein. - Es klappte. - Ich mußte mich ordentlich zusammennehmen beim Unterschreiben. - Und nun gehen wir ganz eng aneinandergehakt in ein schönes Cafe in Mülheim. - Ich habe nun einen neuen Hut an. Unsere richtige Hochzeit soll ja noch folgen. - Aber glücklich sind wir schon, zum Platzen glücklich. - - Ein richtiges Telegramm kam inzwischen schon an von Westwaggon und dann folgte - noch eins von Anneliese und Fritz-Herbert. Nun durften wir ungeniert im selben  Haus wohnen. Hellmuth hatte schon in den letzten Wochen das obere Zimmer von - Piels gemietet und bewohnt. - Und dann kamen arbeitsreiche Monate. - Wir schaffen an: - Neben meinen schwarzen Bücherschrank kam der weiße Schrank der - Eschenbach- Küche. - Mutter sollte ihren alten Küchenschrank nun wiederhaben. Der Herd kam. - Das obere Zimmer wurde ganz frisch gestrichen. - Eine herrliche Truhe, eine Nußbaum-Vitrine, ein Nußbaum-Tisch und Hocker, ein Velour-Teppich. Die Nische wurde durch einen geschickten Vorhang vom Dekorateur - verdeckt. Das Fenster duftig behangen. - Dann kam Weihnachten immer näher. -
23.12.39
- Unser richtiger Hochzeitstag. - Helmuts Eltern haben sich nun doch entschlossen, zu erscheinen. - Mutter will, daß ich aus ihrem Haus heraus Esserstr. 10 heirate. Else steckt mir - den Brautkranz. Die Auerbacher Eltern wollen vom Hotel aus gleich in die Kirche  kommen. Edith Hartmann auch. Sie will uns singen. - Eine Taxe fährt uns ins Gustav-Adolf-Haus. Ich habe mächtig Herzklopfen. - Die Auerbacher Eltern sind noch nicht da. Sie bekamen keine Taxe und mußten - mit der Straßenbahn fahren. Ich weiß nicht mehr im einzelnen, was Pfarrer Wilcke - sagte. Nur weiß ich noch, daß er von Helmuths Beruf und Berufung und von unserer - Liebe zueinander sprach und Gott uns segne. Edith Hartmann sang so schön. - - Ballade - - Diese Stunde im Gotteshaus, wo wir fühlten, daß wir nun fürs ganze Leben - zueinander gehörten, war das Schönste vom ganzen Hochzeitstag. - Zwei Taxen brachten uns dann ins Hotel rein zum Mittagessen. Helmut hatte das - schon alles arrangiert, und seine Eltern wohnten in demselben Hotel. - Die 4 älteren, Otto, die kleine Hanni Schmitz (11 Jahre), Edith Hartmann, Else - und Leo u. wir zwei; das waren die Teilnehmer. - - Leider, leider ließen wir keinen Photographen kommen. Ich war bei Tisch im - Herzen sehr unglücklich. Ich fühlte die Fremdheit der Eltern. Es war alles - gezwungen. Die Meinen waren im Innersten unglücklich. Die Auerbacher Eltern - - sahen auch nicht gerade zufrieden aus. Nur Hellmuth, Hellmuth , wenn er mich - anschaute oder mir verstohlen die Hand drückte! - 1000 Englein kamen. - - Dann kleidete sich Hellmuths Mutter um, und wir fuhren in unser Heim nach  Buchforst wo ein herrlich-üppiger Kaffeetisch in unserer Wohnküche gedeckt war. - Die Auerbacher Eltern reisten dann sofort ab. Wir blieben noch bis abends spät - beieinander in unserem gemütlichen Wohn-Schlafzimmer. - Und dann gingen auch - meine Eltern und Hoffmanns. -
25.12.39 - Wir reisten nach Auerbach. Hellmuths Mutter sagte bei Tisch, daß das jetzt „Du“  heiße. Wir setzten uns und dann führte mich Hellmuth seinen Onkels u. Tanten - in Bensheim u. Heppenheim vor. Sie gefielen mir alle sehr gut. Und dann ging es  wieder zurück nach Köln. Wir mußten ja beide wieder arbeiten. Ich bei WW und  er an der Schule als Referendar.
 März 40 - Es sind Verhandlungen angebahnt mit Prof. Thomas vom Musischen Gymnasium - Frankfurt. Prof. Schneider vermittelte. Im Dom-Hotel hatte Prof. Thomas Hellmuth empfangen. Den Termin weiß ich leider nicht genau. Sie Sache wurde perfekt. - Wir sind beide sehr stolz und glücklich. Die Stelle als Organist und Chorleiter in Brühl, wo ihm das Schaffen manche Freude brachte, mußte er nun auch drangeben. - Es war oft nicht leicht für uns beide. Ich hatte einen sehr anstrengenden Beruf. - Dann noch den Haushalt. Selbst mit Hilfe war es zuviel auf die Dauer. Ich wurde  sehr mager und nervös. Aber der frühe Sonntagmorgen gehörte uns. Dann allerdings  mußte er nach Brühl eilen. Ich kochte und nachmittags fuhren wir dann mit der  Straßenbahn ins Grüne.  Ganz früher haben wir die erste Bahn um ½ 6 genommen. Wenn wir dann ausstiegen und Hand in Hand wanderten, waren nur die Vöglein und Eichhörnchen  unsere Zuhörer. Es waren die himmlischten Stunden in der Natur. Um 2 mittags,  wenn die anderen kamen, fuhren wir dann wieder heim. -
Juni 40 - Hellmuth schafft am Musischen mit. Im Juli besuche ich ihn. Ich kündige - bei Westwaggon. Wir wollen in Ffm. zusammen sein. Ich kann mir ja auch dort  Arbeit suchen.
Aug. 40 - Sept. will ich ausspannen. Ich habe das ehemalige Zimmer der Sekretärin von  Prof. Thomas Sibylle Roloff gemietet. Helmut muß im Heim schlafen.  Sept. ʺ Mein Tag richtet sich nur auf den Augenblick ein, wenn Hellmuth fertig ist u. zu  mir kommt. Dann bringe ich ihn wieder ein Stück u. dann er mich wieder.  Nun sind wir verheiratet und doch nicht. /Es passiert meiner Wirtin was ungewöhn liches. Ich muß das Zimmer in der Heimatsiedlung tauschen gegen eins in  Niederrad/ Frau Riehl ist schwerhörig, aber eine Seele von einem Menschen. -
Okt. 40
- Das Musische braucht Hilfe. Die Sekretärin v. O Reg. Rat Miederer muß zu ihm - zurück nach Berlin. Ich nehme an. Nun ist im Arbeitsbuch aus der Funktionssekretärin eine „Kanzlei Angestellte“ geworden. Aber das macht weiter nichts. Die Arbeit bei den Jungen macht mir Spaß. Verdienen tu ich ja jämmerlich wenig im Vergleich zu meinem Westwaggon-Einkommen. - - Das Leben am Musischen ist für Hellmuth nicht leicht. Wir haben nur ganz selten - eine Stunde füreinander allein, und selten könntne wir bis zum anderen Tag - beieinander bleiben. Er muß sich auf sein Assessor-Examen vorbereiten. Es bleibt - ihm dazu kaum Zeit und Gelegenheit. - Mit Sibylle Roloff komme ich gut aus. In der Kanzlei ist eine Menge zu tun. - Manchmal kommt Hellmuth und sagt dann „Frau Fritsch“ bitte, geben Sie mir dies - u. jenes. Mit den Jungens versteh ich mich gut. Es macht mir Spaß, doch die - Arbeit geht drunter und drüber. Es fehlen mindestens noch 2 Leute in der Kanzlei, - um alles richtig u. Ordentlich in Gang zu bringen. Im Nov. fahre ich mal kurz - nach Hause. Ich fühle mich nicht ganz wohl. Im Dez. verschlimmert sich mein - körperlicher Zustand. Ich ekle mich vor Essen, sehe schlecht aus u. Möchte immer - nur Liegen. Weihnachten wird’s uns dann klar, daß wir wohl ein Kindchen - bekommen werden. - - Hellmuth hatte mit einem Jungen gerauft. Sie kamen beide zu Fall. Hellmuth fiel - unglücklich aufs Knie, daß er den Miniskus verletzte u. einige Tage in die Klinik - von Prof. Hohmann mußte. Das Bein kam in einen Gipsverband, und so reisten wir - am 1. Feiertag nach Köln. Hellmuth war inzwischen in Hannover zum Assessor - ernannt worden. Kauschke der anderen Schulmusiker, würde vom Militär aber zurückerwartet, und für zwei Fachleute der Art war kein Platz für dauernd. Hellmuth hätte als der Jüngere immer so eine Art „Hilfs“kraft abgegeben. - Wir überlegten u. er beschloss, sich als vollwertig Kraft in die Rheinprovinz zurückversetzen zu lassen und nicht als Pendelmann in Hessen-Nassau zu bleiben. Mein Zustand machte auch das Aufgeben der Tätigkeit ratsam und ich kündigte - zum 31.1.41 Febr./März - 41 - Hellmuth kommt an die Staatl. Oberschule für Jungen nach Wesel. - Wochen freudigen Schaffens beginnen dort für ihn. Er lässt seinen Stundenplan so - einrichten, daß er montags noch in Köln bleiben kann. Er hat sich an die Kölner - Uni immatrikuliert und will nicht nur Religion, sondern auch Geschichte als Nebenfach haben. Spätnachmittags kommt er dann heim und uns gehören noch einige - - Stunden. Dann fahren wir zusammen zum - dortigen Bahnhof. Er nimmt den letzten Zug nach Wesel. Nun sieht man es mir schon gut an, daß ich ein Kindchen erwarte. - Wir sind ja so stolz und glücklich. Aber nach einer anderen Wohnung müssen wir - suchen. Das ist jetzt im Krieg sehr schwer. Denn in unseren beiden Zimmern ist - nicht einmal Platz, einen kleinen Korb aufzustellen, vielweniger ein Bett. - - Abends gehe ich immer nach Kalk zu den Eltern schlafen, wegen der Flieger. - Herr Piel ist von der Hilfspolizei wieder entlassen und von seiner Firma nach - Süddeutschland versetzt worden. Frau Piel folgte ihm bald. Er kann ihre Hilfe für - die schriftlichen Arbeiten gut brauchen. Allein wage ich nicht nachts im Haus zu - bleiben, wegen der Angriffe. - Mai 41 - Wir haben eine schöne Wohnung in Neu-Ehrenfeld gefunden. Hellmuth ist - begeistert. An einem Sonntagnachmittag gehen wir zum Anstreichen 300,-- lautet - der Kostenanschlag. Das ist viel, viel Geld für uns. Aber wir lassen es machen dann - ist's auch schön bei uns. -
 
9.6.41 - Wir ziehen um, und abends geht Hellmuth zu den Soldaten!
- Er bringt mich nach Kalk zurück. Nicht eine Nacht durfte er im neuen Heim - schlafen. Zur Sammelstelle will er alleine gehen, wenn auch die meisten Frauen - bei dem Abtransport dabei sein wollen. Wir verabschieden uns noch mal an der - Korridortür, und dann rennt er die Treppe runter und mit meiner Haltung ist es - aus. Hellmuth war unglücklich, mich in meinem Zustand in Köln zu wissen. - Ich litt in der Zeit gerade unter fürchterlichen Ischiasbeschwerden und konnte - nach der Entwarnung oft kaum die Kellertreppe wieder rauf. Hellmuth schrieb - verzweifelt an seine Eltern, daß er keine ruhige Minute bei den Soldaten habe, - wenn er mich in meinem Zustand in Köln wisse. - Man soll mich nach Auerbach holen. -
Mitte Juni -
holte mich die Schwiegermutter. Der Schwiegervater begrüßte mich kühl.
- Mir schoss das Blut in den Kopf und ich wär am liebsten um u. davon. - Aber jetzt ging es um mehr. - Wir schrieben uns jeden Tag. - Hellmuth litt unsagbar körperlich und seelisch. Es war sehr heiß, und oft glaubte er - einfach umzufallen. Der Arzt gab ihm Herzmittel. Es kamen traurige Wochen. - Ich litt um ihn und unter der ganzen lähmenden Atmoshhäre des Auerbacher - Hauses. Die Eltern lebten in gespanntem Verhhältnis zueinander. Meist redete der  Schwiegervater überhaupt nicht. Im Juli kamen Anneliese und Fritz-Herbert zu - Besuch. Ich kam mir nur noch geduldet vor und das Essen würgte mich. - Froh war ich, wenn ich in meinem Zimmer war, und dann schrieb ich ihm, und - dann freute ich mich wieder auf unser Kind und holte mir Kraft aus seinen Briefen, aus unserer innigen großen Liebe. Manchmal bebte mein Herz, ob der - Ungerechtigkeit und ich - sagte mir: Dein Kind muß ein Rebell werden wider alles Unrecht. Denn wie sehr - mußte ich bei Tisch spüren, wie er den wohlhabenden Schwiegersohn behandelte - und mich vollkommen als Luft behandelte. Sie waren beide – die Eltern – ohne - jedes Gefühl für eine empfindsame Seele oder für meinen Zustand im besonderen. - Die ganze Qual unserer Brautjahre  durchlebte ich in diesen Wochen wieder. -  Wie haben sie uns unser reines Glück nehmen wollen. Kein Mittel war schlecht  oder gut genug. Meine Familie sei erbkrank ich wäre den Maschen des Gesetzes noch  nicht entronnen und ich solle die „wohlgestellte“ Sekretärin beim Generaldirektor - bleiben, schrieb er an mich und an Hellmuth, er fordere ihm auf, den Verkehr mit dem Weib sofort einzustellen. Ob er auf keinen anderen Menschen habe Eindruck - machen können, als auf eines Arbeiters Tochter. Er kürzte 30,--. Das hatte aber nur  den Erfolg, daß Hellmuth sich auf der Orgel vervollkommte und die Stelle eines  Organisten in Rodenkirchen annahm.  Helmuth gab die Briefe an Rechtsanwalt Klefink, der an den Schwiegervater einen  vermittelnden Brief schrieb. Hellmuth schickte eine Abschrift dieser Beleidigungen - sowie seine Antwort an Auerbach an Anneliese, die kurz vor ihrer Hochzeit stand  und von der er ein Interesse am Ruf ihrer Familie voraussetzte. - Anneliese war viel zu sehr mit sich beschäftigt. Sie riet Hellmuth, sich nicht mit - - mir zu verloben , sondern noch einige Jahre zu warten. Ihre Hochzeit rückte näher.  Hellmuth verweigerte sein Erscheinen. Die Mutter kam nach Köln. Wir sahen uns - zum ersten Mal. Auch da sprach sie nur gegen unsere Verbindung und Hellmuth - müsse zur Hochzeit kommen, und ich dürfte nicht beleidigt sein, und wie traurig  Anneliese wär, wenn Hellmuth nicht käme. Hellmuth blieb fest. - Anneliese schrieb, daß ich anscheinend doch nicht die richtige Frau für ihn wäre,  wenn ich ihn nicht zu überzeugen wüsste, daß er kommen müsse. Und dann kam - ein Zettel des Vaters. „Die Streiterei hat keinen Wert; ich bitte, die Briefe als  nicht geschrieben zu betrachten“. Hellmuth fuhr. Er spielte die Orgel und reiste nach dem Kaffee wieder ab. - Prof. Maler war in Auerbach. Er redete mit den Eltern – vor Annelieses Hochzeit schon -. Sie hätten mich ja eingeladen, wenn sie davon gewußt hätten!!! - 1937 waren sie in Köln „um hinter seine Weibersachen zu kommen“, wie er - einmal an Hellmuth schrieb. Sie sagten nicht einmal, zeig uns das Mädchen, sondern -waren entrüstet, daß Hellmuth seine Theterkarte nicht verfallen ließ und mit mir - in die Oper ging. Wie sehr habe ich damals geweint, daß sie mich so als Luft - behandelten.  Es war gerade in den Tagen der Silberhochzeit meiner Eltern. - Hellmuth war unerschütterlich. - Wir verkündeten Ostern 1939 unsere Verlobung. - Die Mutter schrieb u.a. „Du wirst schon eines Tages sehen, daß eine Frau jünger - sein muß als der Mann“. Dann aber sollte doch ein „Kennenlernen“ stattfinden. - Die Eltern hatten in Koblenz einen Prozesstermin wahrgenommen. Wir sollten  aber wenigstens ein Stück entgegenkommen. So geschah es. Ich war entsetzt, daß  dieser Mann mit dem sympathischen Äußeren soviel böse Gedanken haben konnte. - Wie hatte er uns schon gequält. Er hatte ja nicht einmal den Versuch gemacht, objektiv zu sein. - Seine Weisheit in den schamlosen Briefen an uns beide hatte er von einer Auskunftei. - Ich war gerade einige Monate bei Westwaggon, als Lene Werner eines morgens zu  mir kam und mir vertraulich erzählte, gestern Abend war eine Dame der Auskunftei  Schimmelpfeng hier. Beim Portier habe sie sich als eine Verwandte der Eltern meines  Bräutigams ausgegeben, und die Eltern hätten gern nähere Auskunft über mich. - Der Portier am Fabriktor kannte mich noch nicht und schickte sie zu Frau Werner. - Die lobte mich natürlich haushoch und zeigte ihr zur Bestätigung auch mein - Arbeitsbuch. Wieviel Schaden hätte mir das einbringen können, wenn statt  Lene Werner gerade eine andere dagewesen wäre, die dann „verschwiegen“ alles  weitergetragen hätte.  Viel viel Kummer hat uns die Brautzeit gebracht. Und wie glücklich waren wir trotz allem. Aber das erzähl ich euch an anderer Stelle besonders. -
 
27. Juli 41 - Um ½ 5 Uhr Blasensprung. Arzt und Hebamme kommen.
- Um 11 Uhr werde ich ins Kinderheim, das ein Stück weiter Richtung Zwingenberg - in derselben Straße liegt, gefahren. - Schwester Carola mit dem Motorrad nebenher. - Die Wehen setzen erst nach dem Mittagessen ein. Ich schlucke Chinin, kriege - Spritzen ins Bein, Zäpfchen eingeführt. Die Sache geht langsam voran. - Um 6 Uhr endlich kommen die ersten Presswehen. Der Arzt wird wieder gerufen. - Ich schaffe furchtbar. Immer wieder: noch 3 Wehen, dann ist's da.Um ½ 8 kommt der dicke Kopf erst durch, und dann ist's geschafft.
- Ich mag nichts mehr hören und sehen. Es war noch „normal“ gegangen. - Ein Stammhalter, ein Sonntagsjunge! Wie wird er strahlen, wenn er das hört. - - Allmählich komme ich zu mir. So ein schöner kleiner Kerl. Ich werde von Arzt - und Hebamme gelobt, daß ich mich so tapfer und mutig gehalten hätte. - Ich bin furchtbar stolz und glücklich. Wenn ich jetzt Hellmuth mal liebhalten  könnte! Daß nur das Telegramm früh genug noch abgeht, war meine größte Sorge - Als er gerade den ersten Schrei getan hatte, kam ein dicker Strauß von der - Schwiegermutter, und um 9 kam sie selber noch mal. Sie hatte sich, als sie um - 6 da war und weggeschickt wurde, doch ziemlich aufgeregt.  Am 7. Tag wurden die Fäden gezogen und ich durfte aufstehen. Hellmuth wollte anrufen. Ich konnte gleich 2 Etagen laufen. - Wir sprachen miteinander. Dann sprachen auch die Eltern kurz mit ihm. - An Urlaub war nicht zu denken. Er war ja noch in der Ausbildungskompanie. - Und nun folgten noch 4 weitere aufregende Wochen im Elternhaus. - Wir hatten unser Schlafzimmer bei einem Schreiner in Auerbach bestellt. - Der arbeitete dasselbe Zimmer für seine Tochter gleich mit, also wunderbar solide. - Als die Schwiegermutter mich in Köln holte, klagte sie über die Mißstimmung in  ihrer Ehe, u. a. Erzählte sie mir dann, daß sie z.B. habe unser Schlafzimmer  bezahlen wollen. Er habe jedoch Anneliese 3.000,-- im Frühjahr geschickt, obschon - Anneliese dann schrieb, sie brauche sie im Augenblick nicht. Nun sei kein Geld da. - Mich erregte das doppelt, - 1.) hatten wir gar nicht daran gedacht, uns das Schlafzimmer von den Eltern - bezahlen zu lassen, sondern wir wollten uns das Geld leihen. Wo, war uns noch  nicht klar, - 2.) erkannte ich aber doch die Gemeinheit der Tatsache: nun schnell das Geld weg,  damit nichts für uns da war. Das empörte mich so, daß ich entschlossen war, das - haarklein Hellmuth zu schreiben. Und Hellmuth war dann auch der Gedanke - gekommen, daß es dann ja Pflicht der Eltern wäre, uns das Schlafzimmer zu  bezahlen, wenn sie 3.000,-- - angeblich als Aussteuer noch versprochen – zu  einer Zeit nach Kreuznach gaben , wo die das Geld, wie sie selbst geschrieben hatten, nicht brauchten, (sondern nur zu dem anderen auf die hohe Kante legten). - Aber es kam nun so, daß ich ihn in Hellmuths Auftrag fragen mußte, ob er uns  zu dem Geld für unser Schlafzimmer verhelfen könne. Er erklärte, er könne es  uns nicht leihen er habe nichts, aber er wolle die Anneliese fragen 200,-- wolle er - uns dazu schenken. Es war furchtbar. Das mußte ich nun Hellmuth schreiben. - Wir telefonierten miteinander, ich vom Kinderheim aus. - Und dann kam es: Anneliese wolle uns das Geld zinslos leihen, worauf ich bemerkte, - daß sie doch wohl von ihrem Bruder seine Zinsen nehmen wolle. Er sagte daraufhin, - daß in Geldsachen die Familie aufhöre. Mich wühlte das alles furchtbar auf. - Ich wollte selber an Anneliese schreiben; dann verkündete ich das Mutter, ich gehe - nach Bensheim und leihe mir dort das Geld. Hätte ich es nur getan!! - Die Schwiegermutter war entsetzt, das dürfe ich nicht tun usw. Und da dachte ich  an Hellmuths Haltung: das geht die anderen wohl nichts an. - Eine Kommonde, die noch in seinem Zimmer stand, sollte ich ich in seinem Namen erbitten. Ich tat es ebenfalls mal wieder bei Tisch, weil sie noch nicht den Mut hatte, das zu tun, worauf er erklärte, das gehe ihn nichts an, sie sei seiner Frau. - Dann nahm er eine Arbeit an in Darmstadt. Die Schwiegermutter, an einen geruhsamen Lebenswandel gewöhnt, mußte um 6 Uhr aufstehen, und ich hörte sie im Esszimmer häufig klagen über ihre Müdigkeit u. sie habe Kopfweh usw. worauf er  ihr strikten Mittagsschlaf ankündigte u. einmal 3 Stunden. Das war mir denn doch  zuviel. Ich schlief neben dem Esszimmer. Ich stand auf, machte mich fertig und  stellte sie zur Rede; erst bat ich mir zu erlauben, daß ich das Mädchen fragen dürfe,  ob sie mittags nicht kommen wolle, mir zu helfen. Das erklärte sie für sinn- und zwecklos. So sah ich mich dann gezwungen, ihr meine Heimreise mit dem Kind für die kommende Woche anzukündigen. Ich reiste also 4 Wochen nach der Geburt unter ihrer Begleitung nach Köln, keineswegs erholt, sondern nervös und enttäuscht. - Aber dann war ich in unserem Heim. - Sie reiste sofort am nächten Tag wieder ab, wegen der Flieger. - Köln-Ehrenfeld, Merkensstr. 2 II - Sept. 41 Nun saß ich mit unserem Kindchen in unserer schönen, aber noch nicht fertig eingerichteten Wohnung. - Hellmuth sollte aber doch mal Urlaub kriegen. Im großen Wohnzimmer hatten wir unsere große Couch, das Klavier, den Ausziehtisch, 4 Stühle, einen schönen Ofen, - 1 Vitrine, 1 Klubtisch Nußbaum mit schwarzer Glasplatte u. 2 Hocker. - In Hellmuths Arbeitszimmer stand vorerst nun die kleine Couch und der schwarze - Bücherschrank. Die Küche war komplett. Mein Stolz, der schöne Eschebach- Schrank, Tisch, 2 Stühle, Herd, Gasherd u. vor dem Fenster die Nähmaschine. - Das Schlafzimmer war noch leer, Gardinen hatte ich auch erst nur in der Küche. - Ich hatte den Stoff aber schon in Ffm. und Darmstadt gekauft. - Johannes stand im großen Zimmer, wo ich auch schlief. Er lag noch im Kinderwagen; das Bettchen war noch nicht da. Erst hatte ich etwas Angst allein in der  großen Wohnung. Aber wir hatten liebe Nachbarn (Uhlmanns). - Nachts hörte ich erst jeden Schritt auf der Straße und eines nachts klingelte es auch - bei mir. Ich wartete. Es kam jemand die Treppe rauf, die Haustür mußte auf gewesen sein. Dann hielts vor unserer Tür und ich fragte „wer ist da“ und dann fragte ich - nochmal – Hellmuth! - Warum konnte ich ihm nicht jubelnd um den Hals fallen? - Ich stand wie gelähmt. Langsam löste sich die Starre und er führte mich in die Küche. Ich machte ihm zu Essen alles wie im Traum, und dann löste es sich in mir, - ich konnte weinen und wurde wieder weich und konnte ihn so beglücken, wie er - es verdient hatte. So saßen wir lang beieinander. - Ich weiß nicht, wo die Tage des Urlaubs geblieben sind. - Wir kauften Lampen, wir besuchten mit unserem Sohn Hoffmanns, wir richteten ein und fuhren auch mal ins Grüne während die Oma Johannes nahm. Wir gingen mal ins Kino. Hellmuth fuhr viel zum Tanzen und ging auch ins Konzert. - Und wir hatten auch unseren ersten Streit! - Ich hatte ein Brett mit Stangen, das am Ofen anzubringen war zum Windeltrocknen gekauft. Hellmuth nahm einen riesigen Haken und das Brett und klopfte beides ein, so tief, daß ich das Brett nicht wieder abnehmen konnte, sondern den Haken aus - der Wand mit rausziehen mußte. Das passte mir nicht und er war diese Klopperei - und das Einrichten nun auch bald leid und wollte richtig Urlaub machen. - Jedenfalls packte ihn die Wut als ich kritisierte. Er schmiß den Hammer auf den - Herd, knallte die Tür hinter sich zu und ging ins Zimmer. - Ich stand am Fenster und war fassungslos, daß es so was auch geben konnte in der - Ehe. Als er wieder rein kam, stand ich immer noch so. Er grinste und mir rollten - die Tränen. Aber dann einigten wir uns. - Hellmuth bestand darauf, die 200,-- RM aus Auerbach anzunehmen. - An Anneliese wurden jeden Monat RM 100,-- zurückgezahlt. - Der Urlaub war bald zu Ende. - Er hatte wirklich wenig geruhsame Tage gehabt und doch, wie waren wir so - dankbar glücklich. - Okt. 41 - Sibylle Roloff kam zu uns nach Köln. Sie hatte mich im Juli kurz in Auerbach - besucht, und nach der Geburt, als ich in Ffm. Gardinen kaufte, hatten wir uns am - Rossmarkt verabredet. Hier verhaspelten wir uns beide etwas mit dem „Du“ und - ich schlug es deshalb als abgemachte Sache vor. „Sibylle“ kam für ein paar Tage - von Ffm. rüber, mußte aber bald wieder abreisen, um sich den Blinddarm - rausnehmen zu lassen. Gmütlich war es bei uns auch noch keineswegs ohne - Gardinen und mit den vielen Alarmen. Man mußte doch ziemlich jede Nacht - in den Keller. - Hellmuth kam noch mal auf Sonntagsurlaub. Er war als Wachmann in Hillesheim - eingesetzt. Eines Tages kamen 2 Karton mit Hagebutten. Davon sollte ich Gelee - kochen. Das sei besonders vitaminreich. Dann schickte er Holzäpfel, und die - ergaben ebenfalls genug wunderbaren Gelee, viel besser noch als solcher von - guten Äpfeln war der. Hellmuth war immer mächtig stolz und glücklich wenn er - so irgend etwas auftreiben konnte für seine Familie. - Im Oktober wurde dann auch unsere Wohnung fertig. Der Möbelwagen kam - (den hatten übrigens die Schwiegereltern bezahlt!) mit dem Schlafzimmer seinem - - Klavier, seinem kleinen Soennecken Bücherschrank (3 Teile, von denen jeder einzeln - zu verwenden war und die er im Laufe der Jahre geschenkt bekam), die Kommode, - 1 Sack Holz, 1 Kiste die etwas Eingemachtes enthielt, ein Holzhacke – Klotz!! - ein kleines altes Tischchen, dessen Wert duch die Granitplatte entstand. - Die Gardinen machte mir Herr Wiesen an (dessen Frau mir morgens schon mal - helfen kam). - Nov. 41 - Nun war unsere Wohnung schon recht gemütlich. Zwischen 2 Türen in der Diele - hatte ich einen Spiegel anbringen lassen. Die Kommode stand in der Diele, an der - Wand ein schöner Stich von Ladenburg, eine Radierung, das erste Geburtstags- - geschenk (mit roten Nelken) von mir an ihn, ein schöner Nußbaumleuchter, und - den Boden hatte ich mit den beiden von Auerbach mitgesandten Bettvorlegern - belegt, die für unser Schlafzimmer zu unmodern waren, als Verbinder - auseinandergelegt aber sehr gut aussah. - Dez. 41 - Weihnachten kam. Hellmuth hatte uns dann ein kleines Päckchen für mich an - meine Eltern gesandt, das sie mir Heiligabend geben sollten, wenn er keinen - Weihnachtsurlaub bekäme. Ich bat Mutter, es mir zu zeigen, und wie gut war das. - Er wär doch furchtbar traurig gewesen, hätte er mein enttäuschtes Gesicht - gesehen. - Die Kette hatte nämlich einen schwarzen Stein als Anhänger. - Ich konnte nicht verstehen, warum er mir schwarz kaufte. Als er mir dann bei - „unserer“ Weihnachtsfeier – er hatte doch zeitig Urlaub bekommen – das Päckchen - mit Kette und Anstecknadel übergab, war ich vorbereitet und brauchte ihn nicht - durch überraschtes oder gar enttäuschtes Aussehen zu betrüben. - Wir hatten einen richtigen schönen Weihnachtsbaum mit Lichtern und - (verchromtem Sauerkraut, so nannte er immer die Silberfäden) Lametta. - Johannes war erstaunt. Die Lichtchen fesselten ihn. Hellmuth hielt ihn glücklich - dagegen. Überhaupt, das war die seeligste Weihnacht in unserer beider Leben. - Wir hatten auch Gäste an einem der Tage: - Lene Werner u. ihre Schwester Lore Pasemann. Hellmuth strahlte immerzu. - Am 2. Tag waren wir allein. Nachmittags fuhren wir mit Johannes raus. - Dann feierten wir noch ein bischen „Weihnacht“ er spielte Klavier. Ich hatte - Johannes auf dem Arm. Er spielte „Vom Himmel hoch“ und ich sang dazu. - Und es war mir plötzlich als schnüre das Glück mir die Kehle zu, er nahm uns dann - beide in die Arme, e war eines der erschütterndsten Augenblicke in unserem Leben. - - Das Frühjahr 42 brachte uns mancherlei Sonntagsurlaub. - Wie strahlte er immer, wenn er in die Diele trat! Im März besuchte Sibylle uns - wieder. Wir verabredeten mit Hellmuth, zusammen mit ihm ein Wochenende in - Jünkerath zu verbringen. Johannes blieb die 2 Tage bei der Großmutter. - Das waren schöne Tage. Wir fuhren am Dienstag früh wieder nach Köln. - Hellmuth trug sich dann mit dem Gedanken, das Kind u. mich eine zeitlang aus - den dauernden Alarmen raus zu nehmen und uns in die Eifel in seine Nähe zu - nehmen. Es wurde jedoch Mai bis die Idee festere Formen annehmen konnte. - Er wurde als Wachmann häufig versetzt und konnte nie auf längere Zeit - disponieren. Der - 31. Mai 42 - war gekommen. Ich hatte die Wohnung fix und fertig, und traf die letzten Vorbe- - reitungen an der Kinder wäsche Das war samstags. Montags sollten wir zu ihm - kommen. Es gab während meiner Stopferei Alarm und wir trotteten in den Keller. - Diesmal war unser Haus dabei. Die Nacht nahm kein Ende. Die III. Etage brannte - lichterloh. Aus meiner Wohnung schafften Hausbewohner Bettzeug und Wäsche - runter. Das Feuer drohte die Decke durchzutrennen. Ich hielt Johannes fest im Arm - und war entschlossen, alles verbrennen zu lassen, aber nicht vom Kind zu gehen, - so lange noch Bomben geworfen wurden. - Wir gingen durch den Durchbruch in die Nachbarhäuser weil der Qualm, der von - oben runter kam, für die Kinder schädlich war. Dann kam der Morgen. - Um 6 Uhr versuchte ich mit Johannes (im Kinderwagen) durchzufahren zu den - Eltern nach Kalk. Ich kam nicht aus Ehrenfeld raus. Überall Blindgänger. - Wir fuhren wieder ins Nachbarhaus zurück. Die junge Frau erwartete ihr zweites - Kindchen. Sie hatte schon alles bereitliegen. Johannes bekam eine trockene Hose. - Das Bettchen wurde zu uns in die Küche gefahren und so stand er strahlend und - unbekümmert und wurde gefüttert. Um 10 Uhr versuchte ich noch mal mein Glück. - Ich kam weiter. In der Stadt war es furchtbar. Es regnete in Strömen. Ich hatte - keinen Schirm. Wenn jetzt nur Johannes nicht schrie! Das war im Augenblick - meine größte Sorge. Man konnte sich immer um 20 – 30 m vorwärtswagen, so - dichter Qualm und Rauch lag in den Straßen. Wenn Johannes jetzt schrie, konnte - er Rauchvergiftung kriegen. Er lag und strampelte vergnügt das Kissen weg ohne - Rücksicht, daß er dann naß wurde. Am Neumarkt war ich dann glücklich. - Es war ein Wagnis durch das Gewirr von Straßenbahnhochspannungen und aufge- - richteten Schienen und aufgerissenen Straßen mit dem Wagen vorwärts zu drängen. - Alle paar Schritte hatte ich bis dahin gefragt „kann ich hier weiter ?“ - Dann kam noch das Stück Altstadt bis zur Hängebrück. Es war das Schlimmste. - Die trostlosen Gesichter der Menschen, der Anblick der brennenden Stadt würgte - einem in der Kehle. Um ½ 1 Uhr kam ich durch und durch naß in Kalk an. - Das Gesicht war weiß und schwarz. Ich meldete beim Kolonialwarenhändler ein - Blitzgespräch an, das ich in wenigen Minuten hatte. Hellmuth erwirkte dann noch - einen Zug um 1:15 Uhr nach Köln. Ich aß und machte mich wieder auf nach - Ehrenfeld, um zu sehen, wie es nun in unserer Wohnung aussah, und um mich dort - mit Hellmuth zu treffen. Um 18 Uhr trafen wir uns zufällig auf der Ortsgruppe. - Es schien, daß unsere Möbel sofort noch raus mußten, weil die Decke einzustürzen - drohte. Als wir aus dem Haus kamen, brannte es oben wieder von neuem. - Und dann schafften Hellmuth und ich noch bis abends 10 Uhr und löschten mit - Hilfe der Jugend aus der Nachbarschaft und einigen Männern. Es war geschafft. - Nach Kalk konnten wir nun nicht mehr. Wir waren nach den körperlichen - Strapazen des Tages dazu nicht mehr fähig. Wir schliefen in einem Mansardenraum - des Nachbarhauses. Verdreckt und voll Ruß. Aber wir hatten unsere Möbel gerettet. - Ein Nachtschränkchen, das Kinderbett, einen Sessel, Federzeut etc. fanden wir im - Nachbarkeller. Man hatte runtergeschleppt, was sich gerade fand. - - 1 – 12. Juni - Wir packten alles zusammen. Die Möbel konnten nicht in der Wohnung bleiben. - Das Löschwasser kam durch. Wie mußte es da erst bei Regen sein. - Von Auerbach kam nichts. Ich mußte doch nun mit Johannes irgend wohin. - Bei den Eltern konnte ich nicht bleiben und Hellmuth wollte uns auf alle Fälle - aus Köln raus haben. So sandten wir dann am 11.6. ein Telegramm nach - Frankenhausen, das wir kämen. Hellmuth reiste beruhigt wieder ab. - Die Möbel konnten erst Wochen danach aus der Wohnung rausgeholt werden, weil - ich keine Transportmöglichkeit fand. Meine Eltern mieteten in der Emserstr. 9 - ein Zimmer und dort stand alles abgeschlagen beieinander. - Aug. 42 - Hellmuth kommt auf Sonntagsurlaub. Nur um uns ein paar Stunden mal wieder - zu sehen, diese Reise. - Sept. " - Ich reise mit Johannes nach Köln. Am Haus änderte sich nichts. - Im August war's wohl auch. Hellmuth mußte nachmittags – Sonntag – um 3, - glaube ich war es, abfahren von Frkhs. um am anderen Morgen zum Dienst zu sein. - - Die Kameraden lachten ihn aus. Er tats ! Als wir an die Bahn kamen, war der Zug - aber schon weg. Ich wollte ihn bis Erfurt begleiten und da der Zug erst gegen - Mitternacht fuhr hatten wir noch etliche Stunden ganz für uns. Es war aber nichts - zu machen, der Zug war weg. Erst wollten wir so eine Kyffhäuser-Droschke - nehmen und damit nach Sondenhausen fahren. Das klappte aber nicht. - Dann gingen wir zu Wally u. Alwin und liehen uns Fahrräder und fuhren los. - Ich hatte erst Angst; denn ich hatte sicher 10 Jahre nicht mehr auf dem Fahrrad - gesessen. Aber es ging noch. Wir durften also doch noch die Stunden beieinander - sein. So fuhren wir dann per Rad nach Sondenhausen, um dort den Zug nach Erfurt - zu bekommen. Es klappte gerade. Hätte das nicht geklappt, wären wir zusammen - nach Nordhausen weitergefahren und er hätte dort einen anderen Fronturlaub - erwirkt. Wie herrlich war die Fahrt mit dem Rad. Manchmal, wenn der Berg gerad - so anstrengend war stiegen wir ab und verschnauften. Das war eigentlich unser - glücklichstes Beieinandersein in den Tagen in Frankenhausen. - Wir genossen beide so aus vollem Herzen noch mal im Sommer in der Natur - zusammen sein zu dürfen. - Okt. 42 - Ich war wieder in Frkhs. In Köln war es zu unruhig, und trotz der vielen Schwierig- - keiten, die sich in Frankenhausen, durch Tante Maries Kochtechnik insbesondere - ergaben, war es doch des Kindes wegen besser Frankenhausen wieder aufzusuchen. - Anf. Dez. - Weihnachten wollen wir aber doch zusammen in Köln verleben. Es ist eng in Kalk, - aber es geht. Hellmuth kommt am 1. Feiertag. Es ist alles etwas bedrückend. - Dauernd unter fremden Leuten nie mal alleine mit Mann u. Kind. Nein, ein Irrtum, - - Hellmuth bekam ja zum Fest den Urlaub nicht, er gehörte zur 2. Serie, die Sylvester - Urlaub erhielt. An Sylvester gabs Alarm. Als abgeblasen war, legten wir uns - auf unsere Couch, die hatten wir in die elterliche Wohnung stellen lassen. - So sind wir denn in das neue Jahr hinübergeschlafen. - Jan. 43 - Ich fahre am Wochenende zu Hellmuth. Er hat zugesagt, im Gottesdienst zu spielen. - Da die Kirche nicht zu heizen ist, spielt er im Gemeindesaal den Flügel. - Es ist im Klang kein besonderes Instrument. Merkwürdig wie es unter seiner Hand - erklingt. Ich sah ihn nie mit solcher Andacht am Klavier sitzen und hatte noch - nie an ihm erlebt, daß er mit dem Instrument so verwachsen konnte. - Während des Gottesdienstes dann schaute er nicht einmal zu mir herüber, so sehr ich - mich auch danach sehnte. Zum Schluß, als er improvisierte kam es mit solcher - Gewalt über ihn, daß er sich lange nicht losreißen konnte und Parrer und einige - begeisterte Gemeindemitglieder etwas warten ließs. - Er zeigte mir dann doch noch die Orgel. Aber es war so kalt, daß wir uns nicht - lange aufhalten konnten. - Wie schön war das doch immer in der Brühler Kirche wenn er dann manchmal - hinterher für mich ganz allein etwas spielte und ich auf der Kante der Orgelbank nahe - neben ihm sitzen konnte. Stundenlang hätt ich die D-Moll Toccata von Bach von - ihm hören mögen. Oder wir herrlich war das in Rodenkirchen, wenn ein besonderes - Fest war – Ostern – Weihnachten oder Konfirmation – und Edith Hartmann dann - - sang, Herr - - Geschwend Cello - spielte. Das waren für ihn glückliche Stunden frohen - Schaffens. Mit solchen „Weißt du noch“, gingen wir ins Hotel zum Mittagessen - und dann ließen wir uns den Weg nach Plein beschreiben; der Zug war schon weg. - Am sichersten war uns aber nachher doch der Weg neben der Eisenbahn. Dabei - mußten wir dann auch über ein Viadukt. Das war recht unheimlich in dem Gedanken, - es könnte nun vielleicht doch irgend ein Zug kommen. Wir kletterten dann auf den - Berg durch den der lange Tunnel vor dem Pleiner Bahnhof führte. Und dann kamen - wir doch noch auf den Weg, der zum „Waldschlösschen“ führte. Er lag am - Bahnhof, aber etwa 15 Min. vom Dort Plein weg. Die Wirtin nachte einen mütter- - lichen, gut-katholischen Eindruck, und wir vereinbarten mit ihr, daßs ich in den - ersten Februartagen mit dem Kind komme. - Der Zug nach Wittlich zurück fuhr uns natürlich wieder vor der Nase weg und wir - ließsen uns den eigentlichen Fußsweg nach Wittlich erklären. Wir waren seelig. - Das Wetter war zum Laufen schön, die Aussicht, nun so nah beieinander zu sein, - machte uns ganz glücklich. Wir benahmen uns wie die Kinder und immer wieder - zählten wir uns gegenseitig die Vorteile vor. Er konnte abends um 8 Uhr raufkommen - klappte es mal nicht, konnte er telefonieren . Um 10 konnte er wieder zurück oder - auch am anderen Morgen um 7. - Ein Zwischenfall beim Abendessen versuchte uns einen Augenblick unsere frohe - Stimmung zu trüben. Ich richtete an Hellmuth bei Tisch eine Frage über ein Bild - an der Wand. Er wußste es nicht genau zu erklären Jedenfalls war die Antwort - etwas ungeschickt und eine am Tisch sitzende junge Frau höchstens 20 machte - eine so ungezogene Bemerkung über seine Erklärung, daßs mir das Blut zu Kopf - stieg und Hellmuth ganz überrascht da saßs. Wir sagten beide nichts, bezahlten und - gingen in unser Zimmer um solch widerwärtig ungebildeter Gesellschaft enthoben - zu sein. Hellmuth litt sowieso darunter, als Soldat unten den jungen schmuddrigen - Offizieren zu sitzen. Wir hatten das beste Hotel gewählt, um anständig zu wohnen. - Aber Leute mit Hellmuths Wissen waren ja meist keine Soldten, sondern höheren - Grades Vorgesetzte. Das war mit das Schwere an seinem Soldatenleben, daßs er sich - von „ungebildeten“ damit meine ich jetzt nicht die Summe des Wissens, sondern - Herzensbildung, Takt, befehlen lassen mußste und nie mit Leuten seines Berufs- u. - Interessenkreises zusammen kommen konnte. - In unserem Zimmer saßsen wir dann noch eine Weilezusammen und besprachen den - Erfolg dieses Tages. In den ersten Wochen nach dem Fliegerschaden war uns das - Traurige der Lage gar nicht so zum Bewußstsein gekommen. Nun, da wir dieses - heimatlose Dasein schon ¾ Jahr hinter uns hatten, kam uns oft, auch wenn wir - beieinander waren, eine Betrübnis an, aus der wir uns dann immer wieder gegen- - seitig rausziehen mußsten. Wenn wir dann auseinander gingen, gab einer dem - anderen wieder die nötige Kraft mit. Jetzt sollte es auch etwas besser werden. - Anf. Febr. 43 - zogen wir also in Plein ins Waldschlösschen, es nannte sich sogar Hotel, war aber - dazu m. E. Nicht großs genug. Jedenfalls waren wir, da Febr. erst war, außser einer - Luxenburgerin, der Lehrerin des Dorfes, die einzigen Gäste. Johannes kam - vormittags und nachmittags in den Kinderwagen u. ich schob ihn bergauf, bergab - durch die winterliche Landschaft. Hellmuth kam abends. Noch heute, wenn ich eine - Lokomotive pfeiffen höre, erlebe ich es wieder: das beglückende Gefühl, da ist er - drin. Dann hörte ich den Zug halten. Dann hörte ich Stimmen von weitem, dann - ging die Tür, noch eine Tür und dann war er da. Wie herrlich mußste es sein, so - seinen Mann im Heim von der Arbeit erwarten zu dürfen. Meistens mußste er - dann meine Tasse Milch trinken. Die gabs zum Abendbrot häufiger. - Im nu war es 10 und er mußste wieder weg. Aber wir waren wenigstens paar - Stunden zusammen. Ende Febr. Sollte er seinen 14tägigen Urlaub kriegen. - Für das Oberpräsidium mußste er Paßsbilder machen lassen. In unserer Flieger- - schadenssache mußste unbedingt etwas geschehen; nach Wesel wollte Hellmuth - auch mal. Kurz und gut eine Woche würde sicher drauf gehen. Die andere Woche - wollten wir dann miteinander verbringen. Am letzten Abend vor seiner Abfahrt - hatte er in Wittlich den Zug nach Plein verpasst. Das war sehr unangenehm. - Er ging den Weg in der Dunkelheit zu Fußs, verirrte sich und kam auf Umwegen - dann doch um 10 Uhr noch an. Ich war glücklich; denn die Wirtin war verreist und - die Nachtwachen riefen die Mädchen, die Lehrerin und mich aus dem Schlaf - „es seien Einbrecher da“ eben hätten sie versucht ins -
Nachstehend kommt die Schrift von Hellmuth Fritsch:
- - Kunstlied
- - 2. Kl.: Mozart „Komm lieber Mai“ - Brahms: „Guten Abend, gute Nacht“ - 3. Kl.: Heinrich v. Vogler - Fridericus Rex - Schubert: Wandern, Heideröslein - 4. Kl.: Chöre „Prinz Engus“, „Druglas“ - - Schubert: Erlkönig - - Schumann: Wanderlied, An dem Sonnenschein - Brahms: Der Schmied - 5. Kl.: Schubert: Tod + Mädchen - - Schumann: Frühlingsfahrt - - Brahms: Auf d. Kirchhof - - Wolf: Grußs reise - - 6. Kl.: Keine Kunstlieder (?) - - 7. Kl.: Liedschaffen der Gegenwart - Das jüngere Kunstlied - 8. Kl.: Schubert: Gruppe aus d. Tartarus - Ganymed - - - Brahms: Von ewiger Liebe - - Wolf: Ana kreons Grab - oder Schubert: Winterreise
-
Haus einzudringen. Wie weit das stimmte, haben wir nie erfahren. An Schlafen war - natürlich nicht mehr zu denken. Mein Zimmer mit dem Balkon und der Tür nebenan - schien mir denkbar ungünstig und ich nahm für die nächste Nacht mein Bettzeug - in ein nach vorn raus gelegenes Doppelzimmer bis zum Wiedereintreffen der Wirtin. - Das war die Veranlassung zu einem Wutausbruch dieser Frau als sie zurückkam, - weil ich es ohne ihre Genehmigung getan hatte. Ich fand Schutz vor ihren Beleidigungen bei dem Bürgermeister des Ortes. Der riet mir, ein anderes Quartier - zu nehmen, und wir telefonierten mit der Wirtin des Nachbardorfes Gipperath. - Am selben - 1. März 43 - Tag zog ich mit Johannes noch dort ein. Wir hatten ein sonniges Zimmer mit
- Fließswasser und Kinderbett. Und hier begannen nun die glücklichen Tage in der - Eifel für uns. Hellmuth konnte mit uns häufiger zu Abend essen. Der Weg war - weit (½ Stunde) vom Bahnhof Plein. Aber die Natur begann ihr Wirken. - Die Tage blieben länger hell. Wenn ich Johannes dann im Bett hatte, ging ich ihm - entgegen. Am schönsten war das ja, wenn ich ihn Samstags abholte, oder er kam - mittags mit dem Wirt. Dann saßsen wir dort zusammen und uns gehörten die - Stunden. - Es war aber auch ein mildes Frühjahr. Alles grünte schon zeitig. - Besonders schön waren dann unsere gemeinsamen Spaziergänge. Johannes war - über Papas Anwesenheit immer entzückt. Er zeigte ihm die Eidechse und zeigte - ihm die Blümchen, die er dann pflücken durfte. Und im Wald gabs Tannenzapfen. - Die waren lange Zeit sein bestes Zeitvergnügen. Der Wagen wurde Sammelplatz - für großse- und kleine Zapfen, für Blumen und Stöcke. - Er lief ganz glücklich rum, der kleine Mann, purzelte, stand wieder auf, und war - selig. Wir standen dann ebenso glücklich dabei. Auf der Heimfahrt dann hinterließs - er seine Spuren und schmißs all die herrlichen gesammelten Dinge raus. - Wenn Hellmuth keinen Sonntagsurlaub hatte, so versuchte er, wenn es irgend - klappte, es so einzurichten, daßs er Sonntagnachmittag bei uns sein konnte. - Wir holten ihn ab. Ein ganz wunderbarer Sommer-Sonntag war da! - Unser Weg ins Dorf führte an einer ausgebaggerten Bergwand vorbei, die wie - eine Bühne wirkte. Die Erde war mit einem grünen Teppich belegt, aus dem - 1000end und aber Tausende Kettenblumen (Löwenzahn) hervorbrachen. - Johannes jubelte. Wir setzten uns an den Rand auf Felsblöcke, und unser Büzi - pflückte Blumen. Die Händchen konnten den Straußs kaum fassen. Helmut und ich - saßsen eng aneinandergelehnt. Es war so himmlisch – schön in der Sonne zu sitzen - miteinander, so ein Kind zu haben und im Herzen so viel Liebe. Hellmuth drückte - mich fest an sich. Wir saßsen lang so beieinander, Johannes machte immer neue - Entdeckungen. Und dann kam ein Wochenend voll strahlender Sonne. - Morgens gingen wir los, um das Dorf Schlaadt aufzusuchen, wir fanden jedoch nicht - den richtigen Weg und ergötzten uns an dem Wald. Nachmittags nahmen wir eine - große Decke im Kinderwagen mit. Ich steckte Strickzeug ein und dann ging es zu - unserem Fleckchen am Waldrand. Da sonnten wir uns. Hellmuth aalte sich; - Johannes machte Entdeckungen an Ginster, Erde, Gras etc., stolperte, schrie zornig, - stand wieder auf und beschäftigte sich mit seiner Umgebung. Dann krabbelte er - auch auf die Decke, turnte auf seinem Papa rum, wollte mir stricken helfen, kurz, - es war ein richtiger Familien-Sonntag-Nachmittag, wie wir ihn uns im Frieden - in Ferien machen wollten. - März 43 - Hellmuth hatte eine ganz tolle Überraschung noch für mich. Er wollte Wochenend- - Urlaub kriegen u. ich sollte ihm mit Johannes entgegenkommen, er rief morgens an, - er habe er habe zuviel Arbeit u. den Zug nicht erwischt, und er komme von w: - üblich zu Fußs. Ich machte mich mit Johannes auf den Weg. Wir fuhren von Plein - aus weiter durch den Wald in Richtung Wittlich. Der Zeit nach hätte er mit schon - längst begegnen müssen. Ich setzte die Hand vor den Mund und rief in den Wald - hinein „Hellmuth“. Das machte Johannes einen solchen Spaßs, daßs er es gleich - nachmachte und seitdem bei jeder Gelegenheit das neu erlernte Hellmuth sagte. - Diese Begebenheit ist ihm bis heute noch in Erinnerung geblieben. - Nun glaubte ich nicht mehr, daßs wir uns auf dem Weg noch treffen würden. - Ich mußste auch sehen, daßs ich noch vor der Dunkelheit zurückkam. Also wollte - ich noch zur Frau Engel in Plein, um zu fragen, er er dann vielleicht schon dort war - u. seine Wäsche abgegeben hatte! Als ich an den ersten Pleiner Häusern war, kam er. - Neben ihm kam eine Frau – Sibylle. Die Überraschung war ihm ganz großs - geglückt. Die Wirtin hatte auch nichts verraten. Die beiden waren nicht den - Waldweg, sondern die Chaussee gekommen. Leider regnete es an dem Wochenende - unentwegt. Aber wenn wir drei zusammen saßsen, konnte uns auch das Wetter - nichts anhaben. Es war einfach herrlich. Im März 42, als Sibylle (etwa 2 Wochen) - bei uns in Ehrenfeld war, hatte Hellmuth – ein Wochenende hatten wir ihn besucht - - auch Sonntagsurlaub. Wir hatten Eier bekommen und ich hatte noch ein Stückchen - Speck. Daraus bereitete Sibylle uns ein „Engl. Frühstück“. Überhaupt war das - recht lustig da bei uns diese Lustigkeit kam immer wieder über uns, wenn wir - drei zusammen waren. Auch wenn ich mit Sibylle alleine war, wurden wir meist - fröhlich. So auch an diesem Wochenende. - April 42? - ich war kurz in Köln und fuhr mit Johannes wieder nach Gipperath. - Mai 43 - Die Wohnungssache scheint weiter zu gehen. Das Obergeschoss ist aufge ....... - In der I. Etage arbeiten die Anstreicher. Ich reise mit Johannes nach Thüringen, um - die Sachen, die wir für die Wohnung brauchen u. etwas Wäsche zu packen. - 2 Wochen bleibe ich in Frankenhausen u. eine Woche reise ich zu Frau Fischer, - Sibylles Schwester, nach Nordhausen. Johannes und die Zwillinge! - Das war recht lustig anzusehen. Wir hatten aber auch die Hände voll zu tun mit den - dreien. Dabei mußs ich noch ein paar Tage erwähnen, die Hellmuth mit mir und - Johannes in Nordhausen im - Nov. ̳ 42 verlebte. Hellmuth bekam Urlaub. 'Den den Schwierigkeiten mit dem Essen in - Frankenhausen konnten wir unmöglich 14 Tage da zusammen sein, überhaupt war - die ganze Athmosphäre für uns dann bedrückend. Wir beschlossen, Sibylles - Einladung anzunehmen und eine Woche in Nordhausen zuzubringen. Johannes - kam dann zu den Zwillingen ins Ställchen und bekam auch sein Bettchen für den - Mittagsschlaf darein gemacht. Nachts schlief er bei uns im Hotel. Wir wohnten im - „Römischen Kaiser“, das war der Wohnung von Sibylles Eltern am nächsten. - Vormittags und nachmittags waren wir dann bei Sibylles Eltern zusammen. - Die schönsten Stunden war dann, als Hellmuth mit dem alten Herrn musizierte, - d. h. Dieser sang u. Hellmuth ihn begleiten durfte. Es waren wohl Hellmuths - schönste Ferienstunden. Wir blieben zwar keine Woche in Nordhausen, aber dienstag 4 Tage gaben uns beiden Kraft und Hellmuths Gewinn lag darin, wie er sagte, - einmal wieder mit Menschen zusammen gewesen zu sein, mit denen er besprechen - konnte, was ihm geistig interessierte und einmal wieder in einem kultivierten Heim - weilen zu können. - Mai 43 - Rosemie Fischer hatte aber inzwischen nun ihre eigene Wohnung u. Johannes und - ich waren bei ihr nett untergebracht. Sie reiste mit Mädchen und Ker aufs Land und - bot mir an, solange mit Johannes in ihrer Wohnung zu hausen. Aber ich sehnte mich - nach meinem Heim, und da der Anstreicher nun schon im Haus gearbeitet hatte, - schien die Sache doch voranzugehen. Ich fuhr also noch mal nach Frankenhausen, - sandte das Gepäck zum Teil schon von Nordhausen nach Köln und am nächsten Tag - reiste ich von Frankenhausen dann mit Johannes nach Köln. - Juni 43 - Ich suchte den Anstreicher auf, um zu erfahren, wann er an unserer Wohnung - anfange. Er erklärte mir, daßs erst der Stukateur kommen müsse, um die Decken - wieder herzustellen. Dem Architekten hatte ich geschrieben und der teilte mir dann - - auch mit, daßs die Wohnung wegen der noch ........ nenden Feuchtigkeit noch nicht - fertiggestellt werden konnte. - Es kamen einige große Angriffe. Die Nächte waren mit Alarmen angefüllt. - Johannes war wie verdrießslich, wenn er runter mußste und unten stand ihm der - Mund nicht still. Ein Angriff auf Kalk ging daneben. Die Bomben fielen alle im - Feld zwischen Deutz u. Humboldt-Kolonie. - Wir verbrachten manche Stunden im Garten. Johannes war seelig und Erd-, Stachel- - und Johannisbeeren entzückten ihn sehr. Der Garten war wirklich herrlich. - Die Bäume hatten so viel Obst. Das mußste eine reiche Ernte werden. - Hellmuth drängte: ich ging zur Ärztin: Es war also so, daßs wir Ende des Jahres - mit unserem zweiten Kind rechnen konnten! - Pfingsten 43 Hellmuth erhielt 5 Tage Pfingsturlaub. Wie bitter nötig hatte er den, und wie elend - sah er aus. Wir hatten Buttr ohne Marken (aus Holland) kaufen können: 50,-- - das Pfund. Ich schickte Hellmuth Reisemarken, damit er wenigstens etwas mehr - Fett bekam. Das Pfingsttreffen war herrlich. Wir hatten uns so darauf gefreut, - zusammen mal in den Königsforst ohne Johannes nach altem Brauch fahren zu - können. Aber erstens war Hellmuth so müde und zweitens hinderten uns die - Alarme, die auch am Tag dauernd kamen. Wir gingen also meistens in den Garten. - Am 2. Feiertag waren die Eltern schon weg und wir machten uns gerade zur - Ausfahrt fertig. Johannes war schon so weit und spielte noch mit seinem Ball, - der kullerte unter den Schrank, Johannes lief hinterher und kam davor plötzlich - zu Fall und schrie. Er kam nicht wieder hoch, wimmerte und verfärbte sich. - Wir setzten uns zu dritt auf die Couch nahmen ihn zwischen uns, und bei jeder - Bewegung wimmerte er. Es schien uns seinem ganzen Verhalten nach richtig, - sofort zum Arzt. Wir packten ihn vorsichtig ein, legten ihn in den Kinderwagen und - fuhren los. Einen Arzt erwischten wir nicht, also fuhren wir ins Krankenhaus, und - da mußsten wir denn erfahren, daßs es ein Oberschenkelbruch war, was er hatte und - daßs die Heilung 6 – 8 Wochen sicher dauere. Das war uns schrecklich in Anbe- - tracht der Alarme. Dann war noch zu überlegen, ob er nicht in ein anderes Kranken- - haus müsse, weil im evgl. In Kalk die Masern waren u. der Raum noch nicht - desinfiziert war. Wir telefonierten. Die Häuser in Mülheim eins gab ungünstige - Luftschutzverhältnisse zu das andere war überbelegt. Lindenburg war uns zu ent- - legen, weil ich befürchtete, nach evtl. Angriffen nicht schnell genug beim Kind - sein zu können. Wir beschlossen, lieber das Risiko evtl. Masernerkrankung als - schlechte Luftschutzverhältnisse. Am nächsten Tag durfte ich ihn durch den - Türspalt sehen: blass mit tiefen dunklen Schatten lag er da, das Beinchen ganz - hochgebunden. Er schlug gerade die Augen auf und nahm sein Däumchen. Er war - aus der Narkose erwacht. Die Masern hat er nicht bekommen. Als ich ihn das - erstemal besuchen durfte schrie er bei meinem Anblick schmerzlich auf und weinte - „Mama“ dann war er selig. Der Abschied war immer für uns beide aufregend, u. - ich habe jedesmal heulend das Krankenhaus verlassen. Eine tolle Nacht kam dann - Kalk schien Angriffsziel zu sein. Humboldt-Kolonie war gut abgekommen. - Ich wollte sofort nach der Entwarnung, etwa 2 Uhr nachts, ins Krankenhaus. - Meine Mutter ging mit. Wir rannten durch die qualmenden Straßsen: Das Kathaus, - das Kino. Es war schwer durch die Splitter und all das Geröll durchzukommen. - Nicht weit – 5 Min. vom Krankenhaus, war eine Luftmine runter gekommen -. - Das Krankenhaus stand. Ruhe u. Frieden kamen gleichsam zu uns. Später hörte ich, - daßs an der anderen Seite ein ganzer Fahrstuhl des Hauses ausgebrannt sei. - Unheimliche Unruhe trieb mich die Tage umher. Ich befragte mich bei dem Arzt, - ob das Kind transportfähig sei. Es schien ihm bedenklich. Aber er könne es - vielleicht fest verschienen u. dann durch einen Brief an das Krankenhaus, in das das - Kind komme, die nötigen Anweisungen geben. Wohin ich mit ihm wolle? - Und ich wußste nicht wohin! Ich sagte ihm nach Auerbach weil ich ja etwas - antworten mußste. - Erst wollte ich mich noch mal mit Hellmuth verständigen. Nach Auerbach konnten - wir ja nicht; denn betteln, habt die Güte, uns aufzunehmen, konnten wir nicht. - Sie rührte ja unser Schicksal nicht. Sie wollten nur ihre Bequemlichkeit, mehr nicht. - Also mußsten wir warten. Vor allem hielt mich der Gedanke ab, etwas in dieser - Richtung zu tun, vom Schwiegervater noch einmal so „in Gnaden“ aufgenommen - und begrüßst zu werden, wie damals, als er nicht einmal die Zeitung aus der Hand - legte oder sich gerade setzte, um die hochschwangere Frau zu begrüßsen, er gab - mir ja kaum die Hand, nur eben die Finger. Also abwarten mußsten wir. - Mich verließs die Unruhe nicht. Ich mußste mich zusammennehmen, denn nun hatte - ich ja auch Pflichten, dem anderen kleinen Wesen gegenüber, das dunkel in meinem - Leibe lag! - Dann kam wieder eine furchtbare Nacht. Hellmuth war jedesmal nach einem Angriff - auf Köln in furchbarer Verfassung, weil er häufig gar keine Verbindung bekam. - Das war etwa am 29. Juni u. 28.(?). Diesmal war Köln kleingemacht. Auch die - Trümmer in noch nicht geschädigte Viertel, alles systematisch bis zum letzten zer- - stört. Hatte eine tiefe Wehmut erfasst, wenn man zerstörte Wohnungen sah, so war - es jetzt ein Grauen. Ich wollte nach Ehrenfeld, um nach unserem Haus zu schauen. - Bis zu St. Agatha kam ich. Die Häuser brannten noch lichterloh. Es flogen Stücke - auf die Straßse. Aus den engen Gassen barg der Hilfsdienst die Toten. Ich wandte - mich um. Hatte ich schon all die Schrecken durchleben müssen, so wollte ich mich - wenigstens nicht entsetzen. Ich wollte ja ein Kindchen zur Welt bringen, das gesund - war. In Kalk war nichts passiert, dagegen in Deutz sehr viel. Hellmuth hatte abends - um 5 Uhr dann durch ein Blitzgespräch Nachricht, daßs bei uns alles in Ordnung - war (rechtstheinisch war der Telefon- u. Postverkehr in Ordnung) und dann kam - die furchtbare Nacht vom - 3./4.7.43 - Wir waren im Bunker. Ich war schon alleine vorgegangen, weil die Männer mir zu - lange brauchten. Es füllte sich immer mehr. Eng aneinander gequetscht standten die - Menschen. Man wußste nicht mehr, auf welchem Bein man stehen konnte. - Es schien, als ob diesmal über uns die Hölle los wär. Der Bunker schwankte immer - wieder. Die Flak hörten wir gar nicht mehr. Wir spärten nur immer das Fallen der - Bomben um uns her. Der Schweißs rann uns allen am Körper runter vor Hitze - durch die Menschenfülle und vor Aufregung. Ich flehte nur immer im Herzen, mein - armes Kind, mein armes Kind, denn das wußsten wir alle, diesmal waren wir dran - und Krankenhäuser waren nicht geschont. Um 3 Uhr wurde entwarnt. - Es war gar nicht dran zu denken, daßs wir an unsere Wohnung ran kamen. - Wir gingen ins Freie. Das war grauenhaft beim Angriff am 29.6. das in der Stadt - in den engen Straßsen die Menschen erstickt sind. Hunderte haben im Keller nichts - davongetragen und durch die engen brennenden Straßsen kamen sie nicht weiter. - Dann wollten wir also erst einmal nach unserem Garten schauen und uns da solange - aufhalten, bis der Tag kam. Ich wollte erst ins Krankenhaus. Vater rannte vor. - Es war nicht einmal mehr ein Pflänzchen stehen geblieben. Eine öde Fläche. - Eine Luftmine hatte ganze Arbeit geleistet. Wir gingen in den Park und setzten uns - einen Augenblick auf die Bank. Da gab es noch mal in unmittelberer Nähe eine - fürchterliche Detonation. Wir sprangen auf liefen weg, schmissen uns auf die Erde - stellten uns hinter einen Baum, jeder nach seinem Instinkt, denn im gleichen Moment - fing ein furchtbares Geprassel über uns an und um uns her flogen Baumstücke u. - Steine und ein Jammern und Weinen ging los, und dann vernahmen wir entsetz- - liches Schreien. Wir liefen und liefen, nur weg. - Ein Zeitzünder, der vor der Schuleauf der Straßse lag, war explodiert. Es gab Tote - und Schwerverwundete. Den Mann, der sich in meiner Nähe auf die Erde - geschmissen hatte, sah ich nachher mit verbundenem Kopf auf einer Bank liegen. - Wir wollten versuchen, an der Feuerwache (den Weg am Park vorbei) nach Kalk - zum Kind zu kommen. Blindgänger – Zeitzünder – so kamen sie uns entgegen. - Auf der Erde saßsen sie am Wegrand. Andere lagen, Verwundete dabei und Tote! - Wir liefen wieder zurück und dann gingen wir die Autostraßse über Rolshover Str. - - Gremberg – Vingst – Höhenberg nach Kalk. Wir mußsten zum Kind. Meine Mutter - schleppte ich nur so weiter, Vater war auch müde u. Otto hoppelte brav mit. - Wir kamen auf Umwegen bis an die Straßse, in der das Krankenhaus stand. - Überall dasselbe Bild wie in der Humboldt-Kolonie! Vater und ich rannten. - Die Mauer Vorgarten stand , zögernd gingen wir weiter. Ich wagte kaum zu atmen. - Da, ein Volltreffer an dem Teil wo Johannes lag wars nicht. Aber abgebrannt war es - bis zum Erdgeschoss, oder 1. Stock. Ich weißs es nicht mehr. Ich sah nur noch die - Schwestern im Erdgeschoss hantierten und höfte, daßs alle Kranken gerettet seien - und niemand umgekommen wäre. Die Kinder seien alle in die Kaserne rüber in den - Keller gekommen. Wir gingen in die Kaserne und suchten in den Kellern. - Keine Kinder zu sehen, dann hießs es im anderen Bau über den Hof. - „Aber dort sind Blindgänger, jetzt kommen sie nicht dahin“. Also beschlossen wir, - erst nach unserer Wohnung mal zu schauen. Meine Eltern schleppten sich den Weg - zurück. In Vingst wollte ich ihnen bei Elses Mutter ein warmes Getränk verschaffen; - denn von weitem hatten wir gesehen, daßs diese Häuser noch standen. Sie waren - gerade Wasser holen und eine Mitbewohnerin hatte uns etwas Kaffee gegeben. - Dann kamen sie, aber kein Wort von einer Aufforderung, daßs wir uns erst etwas - setzen sollten bei ihr. Das hat mir sehr weg getan, besonders um meine Mutter. - Wir gingen durch Gremberg und dann zur Wetzlarer Straße. - Auch unser Haus bis im Erdgeschoss ausgebrannt. Der Hausflur stand. Meine Mutter - ging durch. Mein Vater holte aus dem Schuppen Johannes Kinderwagen. - Der Schuppen hinter dem Haus stand ebenso unbehelligt wie die riesengroßse Wanne - meiner Mutter, die an der Brandmauer auf dem Speicher unbeschädigt hängen - geblieben war. Die Eltern holten unsere Koffe im Kelle und wir brachten das samt - Kinderwagen zur Tante Mert, die mit ein par „geretteten“ Habseligkeiten auf der - Straßse saßs. Aber nachher doch wieder in ihre 2 Zimmer konnte weil der Brand - vom Nachbarhaus nicht übergegriffen hatte. - Um 10 Uhr machte ich mich dann allein wieder auf den Weg, mein Kind zu suchen. - Ich ging in die Kaserne. Auf dem Hof ein anscheinend wirres Durcheinander von - Gulaschkanonen und Krankenwagen. Ich traf Johannes Schwester. Aber sie wußste - ja nichts. Sie war blaßs und elend vor Aufregung und Arbeit. Die Kinder wären - - schon in andere Krankenhäuser weitertransportiert. Sie hätten die Kinderchen in - Decken eingeschlagen erst mal auf die Wiese in den Garten - - Ornament als nordisches Kulturgut - (vgl. vorgesch.: - - O. in der mittelalt. Plastik , im Barock - Bach: Orgelchoräle - gelegt, Johannes habe entsetzlich gebrüllt und sie hätten ihm nasse Tücher aufs - - Gesicht gelegt, damit er nicht den vielen - Rauch schlucke. Dann hätten die Soldaten - die Kinder rübergeschafft. Er könne in Mülheim sein, in Delbrück, in Riehl in - Berg.-Gladbach in Lindenthal, so sagte man mir in der Kaserne. Ich ging los und - schon gabs wieder Alarm. Unter der Höhenburger Bahnüberführung wartete ich etwas. In Buchforst warfen sie schon wieder Bomben, hießs es da. Ich ging trotz - Schießsen weiter nach Mülheim. In dem einen Krankenhaus war er nicht, im - anderen auch nicht. Man gab mir etwas heiße Suppe. Die Verbindung zwischen - Mülheim und Rühl war möglich. Ich telefonierte nach Rühl. Es waren Kinder ange- - liefert worden. Ein Johannes Fritsch war nicht festzustellen. Ich ging nach Rühl. - Es mochte vielleicht 2 Uhr sein. In Mülheim stand alles friedlich. Auf der Brücke - Auf der Brücke bemächtigte sich meiner eine elende Müdigkeit. Ich mußste es - packen! Mein Gott im Himmel, nur nicht umfallen, jetzt, in dieser Stadt, nicht - krank werden, kein Abgang. Die Füße hingen wie Bleiklumpen. Hellmuth, wie gut, - daßs Du das nicht mitanzusehen brauchst. Aber, wie mgst Du Dich wieder quälen. - Ich blieb stehen. Es ging wieder besser, und mechanisch setzte ich die Beine vor- - einander und sagte mir vor, er lebt ja noch er lebt, das ist die Hauptsache und - irgendwo wirst du ihn finden. In Rühl war er nicht. Aber ich sag ein größseres Kind - dort, daßs bei ihm im Zimmer gelegen hatte und dieses Mädchen wußste, daßs - Johannes irgend woanders ausgeladen wurde u. sie weitergefahren seien, nach hier. - Als ich raus kam, sah ich gerade wie 3 Leute auf ein Lastauto kletterten; ich fragte, - ob ich mitfahren dürfe bis zum Opernhaus. Der Chaffeur bejahte und als ich rauf- - stieg lagen 1 schwerverwundeter Mann u. eine alte Frau darauf. Die Frau wurde, - nachdem wir ein Stückchen gefahren waren, abgeladen, der Mann in einem anderen - Haus ebenfalls. Eine junge Frau u. Mann u. Vater saßsen jetzt noch drauf. - Ich kauerte mich auf dem Wagenboden in eine Ecke. Die junge Frau blutete noch - etwas an den Beinen, die 3 suchten ihre Mutter. Sie waren in einem Bunker in Kalk - gewesen. Eine Miene sei vor die Tür geflogen und habe die schwere Eisentür nach - innen geschlagen. Das habe Tote gegeben. Am Opernhaus stieg ich ab. - In der - „Lindenburg“ - Ich fragte in verschiedenen Abteilungen der Kinderstationen. Endlich hieß es - irgendwo, hier sind Kinder ausgeliefert, und da wußte eine junge Pflegerin, daßs ein - kleiner Junge auch gesagt habe, er heiße Johannes, und er habe schon tüchtig zu - sich genommen. Die Kinder wären bereits alle im Luftschutzkeller. Die Oberin kam - und fuhr mit mir in den Keller. Wie zitterte mein Herz, und da lag er blaßs u. friedlich in tiefem Schlaf versunken. Ich wagte mich nicht zu rühren Ich ging auch - nicht nah hin zu ihm, aus Angst, er könne erwachen und all die Not der letzten - Stunden mit ihm. Ein Lächeln kam über mich, und ich mußste den Tränen Lauf - lassen. Oben machte die Oberin mir erst zu essen. Milch und Weißsbrot mit dick - Butter. Das war etwa 7 Uhr abends. Wir besprachen uns und ich vereinbarte, daßs - ich den Jungen Dienstag früh holte. Mit dem Arzt beratschlagte ich noch wohin. - Zufällig wußste er von Bekannten aus Deutz, die ihre Möbel nach Wittlich schafften, - die würden mir vielleicht das Gepäck mitnehmen. Evtl. konnte ich mit dem Kind - auch mitfahren und brauchte den Transport per Bahn nicht zu versuchen. - Tausende u. aber Tausende flüchteten aus Köln raus u. die rechtsrheinischen - Bahnhöfe wären zertrümmert. Dienstag früh holte ich meinen Jungen. - Das Bein war in einem festen Verband. Mit den Leuten in Deutz hatte ich persön- - lich noch nicht gesprochen. Der Hausmeister nahm jedoch montags das Gepäck - schon an. Ich fuhr mit Johannes bis Neumarkt, soweit reichte die Bahn schon - wieder und dann erst noch mal zu Tante Marta, bei der hatten wir alle 4 des nachts - auf der Erde geschlafen. Sie alle wollten das Kind noch mal sehen. - Johanndes war vergnügt, wieder bekannte Gesichter zu sehen, und dann ging Mutter - mit mir los nach Deutz. Im Park sagte Mutter plötzlich „Da kommt Hellmuth“. - Wie ein Wunder starrte ich ihn an und er drückte mich stumm an sich. - Johannes war ganz selig. - In Deutz klappte es mit dem Möbelwagen nicht. Der „Möbelwagen“ war ein - Brauerei-Auto. Und der auf der auf der zugigen Landstraßse mit dem Kind u. - immer die Angst, wenn ein Möbelstück nun umkippt? Hellmuth war dafür, daßs wir - die Bahnfahrt riskierten. - Also weiter wieder dahin, wo er hergekommen war zum - Südbahnhof. Hellmuth hatte Hunger. Ich hatte Verpflegungsbrote der Wehrmacht - auf dem Schulhof bekommen. Die Verpflegung an diesen Tagen war sehr gut und - niemand hat nach all dem Furchtbaren zu hungern brauchen. Aber, was half es gegen - all das Leid! Wieviele lagen noch unter den Trümmern allein in unserer Straßse? - Hellmuth fand es richtiger, das Kind in die Spezialklinik von Prof. Hohmann - zu bringen. Am Bahnhof verhandelte er kurz mit dem - Bahn Mann an der Sperre. - Der ließs uns ohne Karten durch. Oben bekam Johannes noch in der 1. Hilfe- - Station auf dem Bahnsteig ein Pflaster auf die Stirn auf das bös aussehende - Pöckchen und dann kam der Pendelzur, der uns nach Kalscheuren bringen sollte. - In Kalscheuren stand auf dem andren Gleis ein Zug nach F.fm. Wir waren glücklich, - daßs alles so geklappt hatte und der Schaffner, der erst brummte, weil wir den Wagen - im Abteil hatten, gab sich zufrieden. In der Klinik wurde er dann untergebracht, - obschon man brummte wegen Platzmangel. - 9.4.44 - Es ist Ostersonntag heute vor 5 Jahren war unser Verlobungstag. Wir hatten eine - Tageswanderung unternommen nach Altenburg. Erst aßs Hellmuth „Forelle blau“, - das machte ihm solch Riesenspaßs. Wir waren ja so glücklich an dem Tag, auch - ohne den Segen aus Auerbach! nun aber weiter die Geschichte unserer Ehe: - Vom „Meurischen“ her kannte Hellmuth den „Bamberger Hof“. Wir bekamen dort - auch ein Zimmer. Wir haben uns aber noch nie so angewidert in ein Bett gelegt. - Es kam uns alles so schmutzig vor. Hellmuth nahm den ganz frühen Zug nach - Auerbach. Er wurde freundlich aufgenommen. Die Schwiegermutter kam gleich - mit nachmittags; sie wollte Johannes sehen; der vergnügt in seinem Bettchen - spielte. Das war Mittwoch. - Wir mußsten wieder nach Köln und reisten so, daßs wir Donnerstag in der Bezirks- - stelle ankommen konnten. In Kohlberg sagte Hellmuth plötzlich zu mir, schau mal - raus und da klopfte Anneliese auch schon an die Scheibe. Als wir uns verab- - schiedeten sagte sie „wir wollen uns wieder vertragen“. Hellmuth machte ein - undurchdringliches Gesicht und ich konnte auch nichts freundliches darauf - erwidern. In der Nacht schliefen wir bei Tante Martha bzw. mußsten wieder in den - Bunker, der war ja direkt an ihrem Haus. - Wir ließsen uns die nötigen Bescheinigungen geben und reisten wieder ab. - Der zweite Empfang in Auerbach mit mir zusammen, war weniger freundlich; - er gab mir wieder kaum die Hand. Beim Essen war die Stimmung lau u. ober- - flächlich. Abends wollte Hellmuth ihn wegen unserer Wohnungsfrage sprechen, - da mußste er (der Vater) Unkraut im Garten raus machen. Nach dem Essen 10 Uhr - - Nachrichten ging Hellmuth runter. Aber der Vater ging ihm wieder aus dem Weg. - Am nächsten Mittag legte er ihm eine Vereinbarung vor, - wir waren morgens auf - dem Wirtschaftsamt in Bensheim gewesen u. hatten Tante Erika u. Onkel Karl - besucht -, die ich im Wortlaut wiedergab: - - - „Bsh. - Auerbach, d. 9. Juli 1943 - Vereinbarung - - Hellmuth Fritsch Ehefrau Änne, geb. Hofmeister, sind in meine Hausgemein- - schaft aufgenommen unter folgenden Bedingungen: - - 1) Anne Fritsch mußs sich willig in die uns, den Eltern, geschaffene und bestimmte Hausordnung einfügen. - 2) Sie hat sich im Haushalt so zu betätigen, daßs sie alle vorkommenden Hausarbeiten mit übernimmt. - - 3) Für die Pflege ihres Kindes kommt sie in erster Linie und allein in Frage. - - - 4) Zur Bestreitung der Kosten des gemeinschaftlichen Haushaltes hat sie - - - außser den erforderlichen Marken ein Tagesgeld von 3,50 also - monatlich 90,-- zu zahlen. Angefangene Tage gelten für voll. - - - 5) Besuch kann sie nur im Einverständnis mit uns beiden einladen. - - - Diese Form des Zusammenlebens lehnte Hellmuth ab; er sagte seinem Vater, daßs - er sich das etwas anders gedacht hätte, weil er doch sowieso davon gesprochen - hätte, daßs ihnen Freunde ins Haus gesetzt wurden. „Er solle es sich überlegen“ war - die Antwort des Vaters. Als ich aus der Küche zu Hellmuth kam, legte er die Hand - auf das, was er geschrieben hatte. Ob ich mich stark fühle, fragte er dann, ob ich - nochmal nach Bensheim gehen könne, als ich bejahte u. ihn bat, mir zu sagen, was - er habe, zeigte er mir den mit der Maschine geschriebenen Wisch. Ich lehnte es ab, - auch nur noch eine Stunde in dem Haus zu bleiben. Wir nahmen unsere Koffer und - gingen nach Bensheim, nachdem wir der weinenden Mutter den Gefallen getan u. - noch bei ihr Kaffee getrunken hatten. Als wir in Bensheim mit unserem Koffer - kamen, ahnten die sofort, daßs etwas nicht in Ordnung war. Also wir könnten vor- - läufig bleiben hießs es. Es war Samstag abend u. mein Hellmuth mußste Sonntag - zum Dienst dort sein. Ich blieb im Haus Kreuzer. Sonntag mittag durfte ich wieder - zu Johannes. Die Schwiegermutter fuhr mit. Aber, wie sah - Rondo Rundgesang - das arme Kind aus. Als er mich sah, weinte er. Man hätte ihm das Bein noch mal - gestreckt, weil es wahrscheinlich 1 ½ cm kürzer bliebe. Und auf die Frage, warum - er denn so verschwollen u. der Mund so dick aussehe, sagte mir die Schwester, er - sei wohl erkältet. Ich weinte sehr als ich ihn so mit anderen im blauweißs gestreiften - Kittel auf der Bahre sitzend weinen sah. Er wurde zusammen mit anderen Kindern - in den Keller gefahren. Montag oder Dienstag, das weißs ich nicht mehr genau, kam - Tante Gretchen. Sie wollte vermitteln. Ich war ziemlich heftig. Der Schwiegervater - war im Garten. Als ich mit ihr nicht fertig wurde, entschloss ich mich, zu ihm zu - gehen, aber allein. Im Garten verlangte ich dann erst einmal die Frage der Anrede - geklärt. Dann sagte er, er habe ja nicht gewußst, daßs ich noch ein zweites Kind - erwarte. Wir wollten also einmal zu dritt in aller Ruhe über alles reden. Ich fuhr mit - nach Auerbach, und nun hatte die Schwiegermutter noch nicht begriffen. Sie sagte - überhaupt nichts mehr. Ich erklärte ihr, daßs ich gekommen sei, um mit ihr u. ihm - eine vernünftige Lösung zu finden, und daßs wir nur im Haus wohnen würden, - wenn wir für uns sein könnten. Es sei Platz genug, eine Küche für uns einzurichten. - Das seien zuviel Umstände u. ich könnte doch mit ihr zusammen kochen usw. - Er hatte inzwischen eingesehen, daßs eine Trennung der Haushaltungen wohl das - wichtigste wäre. Aber ein Architekt müsse her, der die baulichen Veränderungen - prüfe. - Mittwochs fuhr ich nach Ffm. zu Johannes. In Ffm. Sagte man mir, ich könne den - Jungen schon mitnehmen. Das überraschte mich sehr. Ich sagte auch der Schwester, - daßs ich darauf nicht vorbereitet sei. Auffallend war dort immer, daßs man die - Kinder nur durch die Glasscheibe sehen durfte. - Ich wollte in Ehrenfeld nach dem Gasherd sehen und den transportieren lassen. - - In Ffm. beschloss ich kurzerhand, erst nach Wittlich zu reisen. Ich telefonierte an - Tante Erika, sandte ein Telegramm nach Auerbach u. fuhr los. Da nur ein Personen- - zug nach Koblenz ging, mit dem ich in Sicherheit weiter kam nach Wittlich, nahm - ich den. Es war eine entsetzlich qualvolle u. langweilige Fahrt. Dauernd würgten - mich die Tränen, u. in Koblenz steckte mir ein junges Mädel, dem mein trauriges - Gesicht zu denken gab, ein Zettelchen in die Hand mit einem Trostspruch, so daßs - ich hell auflachen mußste über soviel jungendliche Seelsorge. Es war ein nettes Ding, - und leider war sie im Gedränge so schnell verschwunden. In Koblenz hatte ich noch - Zeit. Ich kam abends um 1/1 10 Uhr in Wittlich an. Hellmuth arbeitete noch. - Er war natürlich erstaunt mich zu sehen. Ich erzählte ihm alles. Er ließs mich nicht - gern nach Köln, und ich mußste ihm versprechen, daßs ich nur eine Nacht in Köln - bliebe. - Ich fuhr also Donnerstag nach Köln. Ich schlief bei Stein's, Esserstr. 6. - Nachts war kein Alarm. Steins gingen in den Bunker schlafen. Ich blieb dort auf der - Couch. Am nächsten Morgen um ½ 6 ging ich los nach Ehrenfeld. Ich erkundigte - mich beim Güterbahnhof. Es war Sperre; ich konnte nichts erreichen. - Um ½ 2 Uhr fuhr ich wieder los nach Koblenz. Abends kam ich wieder in Wittlich - an. Hellmuth hatte kaum damit gerechnet, daßs ich es packen würde. Ich war um - ½ 8 Uhr in Wittlich. In seiner Wohnung traf ich ihn nicht u. vermutete, daßs er - gerade Essen sei. Ich ging ins Bahnhof Restaurant. Da saßs er nicht. Ich aßs erst - etwas. Dann ging ich wieder in die Wohnung u. wollte dann in das andere Lokal, - falls er noch nicht dort wäre. Als ich an seiner Dienststelle vorbei kam, hatte er - mich von drinnen gesehen. Er arbeitete immer noch. Wie er den Kopf zum Fenster - rausstreckte, fiel mir schlagartig wieder sein schlechtes Äussere auf. Er hatte auch - einfach vergessen, wie er sagte, daßs ich komme. Ich war so erstaunt darüber. - Aber wir hatten soviel zu verhandeln miteinander u. zu überlegen, daßs uns nur die - verlorengegangenen Stunden leid taten. Der schmale Kopf am Fenster, u. wie er - das Lineal in der Hand hielt, sind mir merkwürdig scharf in Erinnerung geblieben. - Wir besprachen nochmal die ganze Auerbacher Sache. Ich räumte seine Schubladen - Samstag früh auf, u. besorgte Anhänger etc. wir wollten das Gepäck aus Gipperath, - das bei den Quartierleuten noch stand, Sonntag nach Bensheim schicken bzw. nach - Auerbach. Hellmuth wollte nochmal Sonderurlaub beantragen, um persönlich mit - den Eltern erneut zu verhandeln. Der Sonderurlaub wurde ihm widerwillig gewährt, - besonders wegen der O. Zug-Erlaubnis hatte er Unannahmlichkeiten beim Spießs. - Der hat ihm das Leben wahrlich schwer gemacht. - Wir reisten Sonntag früh über Niederlahnstein (dort hatten wir Aufenthalt). Es war - ein warmer Tag. Ich reiste immer noch in meinem schwarzen Kostüm, alles andere - war in Unordnung. Hellmuth holte in de Bahnhofswirtschaft Wasser. Wir setzten uns - auf einen Koffer und planten und ließsen uns die Sonne auf den Buckel scheinen. - Ich glaube, die Leute, die nachher mit uns im Abteil saßsen, würde ich heute noch - wiedererkennen, so lebendig ist mir die Fahrt über Wiesbaden geblieben. - Wir waren beide so sehr traurig, Hellmuth u. ich hielten uns an der Hand. - So saßsen wir nebeneinander und ich empfinde heute noch, wie gut mir seine feste, - warme Hand getan hat. In Ffm holten wir unseren Jungen. Die Unterlippe war - immer noch geschwollen, sie sah aus, als hätte er darauf gebissen. Wir hatten noch - Zeit bis zur Abfahrt des nächsten Zuges und fuhren zu meinen Wirtsleuten Biehl. - - 7.5. Ich habe schon wieder abgesetzt. Es lähmt mich weiterzuschreiben. - Aber einmal mußs ich ja auch hier fortfahren. Frau Biehl war gerührt über den - kleinen Johannes. Sie ahnte wohl auch, daßs er in ihrem Heim (Belchenstraße 17) - ins Leben gerufen ward. Wenn Hellmuth männlich Er D (Erzieher vom Dienst) - nicht zu machen brauchte, durften wir zusammenwohnen. - Der Zug von Ffm. nach Karlsruhe, den wir uns ausgesucht hatten, war entsetzlich - voll. Wir verhandelten mit dem Zugführer u. der nahm uns – Johannes immer in - seinem Sportwägelchen sitzend – im Postwagen mit. Mir war etwas unheimlich - und es stank in dem Raum. Aber wir kamen heil in Bensheim an. Und wieder - - wie beim ersten „Einzug“ saßsen Tante Erika u. Onkel Karl auf der Bank unter dem - Baum im Hof. Hellmuth und ich atmeten auf. - Nun waren wir doch wenigstens wieder alle drei beisammen. - Ich erinnere mich noch so gut des beruhigenden Gefühls als wir uns zu Bett begaben, und ich hatte nur einen großsen Wunsch, daßs wir drei doch endlich immer beieinander bleiben möchten. - Am nächsten Morgen fuhren wir – Johannes im Sportwagen mit – zum Wirtschaftsamt nach Heppenheim. Johannes war ein auffassend ruhiges Kind - geworden. Er bekam jetzt Ausschlag an dem Mund. Wir hielten das für eine - Erkältung. Ich weißs gar nicht mehr, was wir an dem Montagnachmittag erledigen - mußsten. Jedenfalls hatte man uns auf dem Wirtschaftsamt in Hoppenheim gesagt, - daßs wir sofort Möbelscheine bekämen, wenn wir eine eigene Wohnung hätten. - Dienstag Morgen fuhr ich früh nach Ffm. verschiedene Sachen auf meine Scheine - einzukaufen. (Hellmuth ging unterdem mit Johannes zum Arzt und versorgte den - Kleinen, und so rührend wie mir Tante Erika sagte. Johannes kam dem Arzt - verquollen vor. Er gefiel ihm nicht. Wegen des Beinchens gab er seine Anordungen. - Sofort nachdem wir gegessen hatten, fuhren wir mit Herrn Mohr von Fasserer u. - Mohr Bensheim Bauunternehmung nach Auerbach. - Wir fuhren alle 3 mit dem Rad. Jetzt fällt es mir ein. Wir waren Montagsnachmittag - kurz in Auerbach u. hatten den Termin mit den Eltern für 2 Uhr bestimmt. - Es handelte sich darum ,daßs wir eine eigene Küche kriegen sollten. Das Wasser - sollte ich mir im Flur beim Klo holen. Ich könnte uns ja einige Eimer in die Küche - stellen. Ihr Schlafzimmer u. das Fremdenschlafzimmer wollten sie uns geben. - Vorschläge wie man in das Schlafzimmer auch Wasserleitung legen könne. - Aber dem Schwiegervater wurde es während der Verhandlungen schon zu teuer und - die Schwiegermutter erklärte, daßs man doch früher immer das Wasser woanders - gehabt hätte und die Großsmutter Fritsch auch. Ich war entsetzlich aufgeregt, und - sagte ihm es sei allerhand, was wir alles hätten opfern müssen in diesem Krieg u. - das sie nichts tun wollten. Sie meinte, das sei für sie auch ein Opfer und die - Umstände, die das mache, sie müsse ausräumen usw. Hellmuth lehnte es ab, dass - seine Frau sich im Flur das Wasser hole, wo es gelegt werden könne u. der Staat - solche baulichen Veränderungen bezahle. Hellmuth hatte Halsschmerzen. - Er verlangte ein Glas Wasser von seiner Mutter. Wir fuhren alle drei wieder weg - von Auerbach mit der Verabredung, daßs erst ein Architekt die Wasserleitungsfrage - begutachten solle u. außerdem ein Installateur. Den sollten wir bestellen. - Aber es wurde in uns der Entschlußs immer fester, überhaupt nicht hinzugehen. - Wir mußsten um ½ 4 wieder in Bensheim sein, weil Johannes dann wach würde. - Wir tranken Kaffee u. ich hatte noch verschiedenes an Hellmuths Sachen zu - richten. Wir gingen nicht zum Installateur. Hellmuth fühlte sich nicht wohl, er - klagte über Halsschmerzen, und da er die Nacht über fahren wollte, mußste er sich - in unserem Dachstübchen erst noch was legen. Ich packte seinen Koffer. - - Was konnte ich ihm da alles rein tun. Die guten Brote, das Obst, die Butter. - Es machte mir solchen Spaßs, den Koffer zu packen u. als er ¼ vor 10 Uhr war - ging ich rauf, ihn zu wecken. Hellmuth lag auf dem Bett. Er hatte geweint, und als - ich ihn weckte, sah ich daßs er wieder weinte. Fritzi, ach es ist ja so schrecklich, - warum bin ich denn so ein Kerl, daßs ich jetzt heulen mußs. Er drückte mich. - Johannes fing auch an zu weinen. Ich spüre heute noch das merkwürdige Gehäuse, - das sich um mein Herz legte und wohl von dem Leben in meinem Leib ausging. - Es überkam mich eine merkwürdige Ruhe. Ich besänftigte das Kind. - Dann richtete ich meinen Mann aus dem Kissen auf, und bat ihn, mir doch alles zu - sagen, er solle es sich doch leichter machen. „Fritzi, dein Mann weint!“ - „Es haben schon manche großsen Männer geweint, Mu “ ich dachte dabei an - Bismarck den das Leben auch schon bis ins Mark erschüttert hatte. - Hellmuth hatte die furchtbare Krankheit schon gepackt. Ich liebkoste ihn, tröstete - ihn, wegen Auerbach und da sagte er, „das ist ja alles so schrecklich“ - „Geh nicht in das Haus“. Ich bat Hellmuth, sich doch einmal kalt abzuwaschen, das würde ihm gewißs gut tun, und da er gar nicht sagte,wie sehr sein Hals weh tat, denn - der mußste doch entsetzlich weh tun, dem Verlauf der Krankheit nach zu urteilen, - half ich ihm noch beim Fertigmachen, anstatt zu drängen, daßs er bliebe u. nicht - reise. Wir gingen unabänderlich den Weg, den wir in Frankenhausen begonnen. - Wir kletterten am Tag unserer ersten Verabredung in den Bergen und gingen auch - zusammen einen Feldweg, der so steil bergan führte, daßs sein Ende in den Wolken - zu sein schien. „Da möchte ich mit ihnen hingehen“ sagte er, und drückte meine - Hand. Ich half Hellmuth beim Ankleiden, und als wir runterkamen waren wir - allein im Haus. Tante Erika war mit Onkel Karl zum Bahnhof. Wir hatten noch eine - Viertelstunde Zeit füreinander. Ich setzte mich auf seinen Schoßs. Doch er fühlte sich - wohl zu schwach u. ich nahm schnell im Sessel neben ihm Platz. So saßsen wir die - Hände ineinander beisammen. Die letzte Viertelstunde unseres Lebens. Mein Gott! - Ich war von seltsamer Ruhe. Ihn sorgte mein Zustand. Die Strapazen, die ich - hinter mir hatte. Er wollte allein an die Bahn. Nie ließs ich ihn allein zum Bahnhof - gehen. Das sollte wohl auch das Besondere dieses Abschieds werden. - An der Tür küsste er mich nochmals lang und innig. - Er kam Mittwoch früh in Wittlich an und legte sich zu Bett, vorher mußs er wohl - auf der Schreibstube Bescheid gesagt haben. Ein Kamerad kam, ihn zu rasieren. - Essen konnte er nichts. Gelben Schleim habe er erbrochen, sagte mir die Wirts- - tochter u. von dem ihm gekochten Griesbrei habe er nichts schlucken können. - Die Wirtstochter wollte mir schreiben u. hat nach meiner Adresse gesucht, sie aber - nirgends gefunden. Donnerstag sei er früh um 7 Uhr ins Revier gewankt. Die alte - Mutter habe ihn bringen wollen, so sei er elend gewesen. Donnerstag nachmittag - durfte schon niemand mehr zu ihm. Freitag wurde er ins Sonderlazaret Bernkastel - überführt. Schwester Alwine sagte mir, sie habe sofort gesagt, als die Männer ihn - führten, der Mann ist entsezlich elend. Er wurde als Diphteriekranker einge- - liefert. Man behandelte ihn mit entsprechendem Serum. Samstag nachmittag zeigte - sich erst das Scharlacheckzem, so daßs man ihn daraufhin behandeln konnte. - Das Herz bockte zuweisen. Man gab ihm Shophantin. Er delirierte: Ich mußs mein - Kind suchen, ach nein, das macht meine Frau. Dann sagte er, Schwester schreiben - sie und was er sagte, habe sie nicht schreiben können, sagte Schwester Alwine, es - seien nur unzusammenhängende Worte gewesen. Sonntag morgen sagte er, - Schwester mir geht es heute aber viel besser. Das Fieber war runter u. er konnte - etwas zu sich nehmen. Schwester Alwine machte auf mich einen ruhigen besonnenen - Eindruck. Ich hatte das Gefühl, das ihre Anwesenheit ihm in den letzten Stunden, - soweit er sie bewußst erlebte, wohltat. Sie habe ihm Kognak mit Ei gegeben u. - Bohnenkaffee. Mittags um 2 sei es schlechter geworden. Um ½ 5 hat man das - Telegramm an mich aufgegeben. Meine Adresse hätte man nicht finden können! - Der Chefarzt sagte mir, sie hätten ihr möglichstes getan. Er habe die Sache persön- - lich in der Hand gehabt u. sei sicher 6 x an dem Sonntag (Er hat auch nach Sprangers - Mädchen immerzu verlangt, wahrscheinlich wegen der vielen verderblichen Sachen, - die ich ihm in den Koffer gepaackt hatte u. die noch darin lagen, Sonntags. - Man versuchte die zu erreichen. Durch Hote Wehl telefonierte die Schwester mit ihnen. Aber es ging kein Zug mehr und ein Rad konnten die Mädchen (jungen Frauen) auch nicht erwischen. Als sie am nächsten Morgen anriefen, war er schon tot) rausgefahren. - - Das letzte Mal um 10 Uhr abends. Er sei dann immer aus dem Bett aufgestanden - u. habe phantasiert, ließs sich jedoch von der Schwester auch immer wieder ins - Bett zurückführen. Um 12:24 (ich lasse mir den genauen Krankheitsverlauf noch - einmal geben; denn sicher habe ich das eine oder andere vergessen infolge der - Aufregung) habe er sich auf die Seite gelegt, sagte Schwester Alwine, uns sei ganz - langsam ruhig geworden, der Puls immer weniger und dann wäre er ausgelöscht - wie eine Kerze. - Mein Hellmuth. - 29.8.44 - Ich will Euch nun weiter sagen, wie es in Bensheim war. - Mittwoch hatte ich etwas Halsweh. Sonnderstag kam Sibylle. Sie riet mir zum Arzt - zu gehen. Aber es verzog sich wieder. Wir waren recht lustig trotz allem, was wir - verloren, und Sibylle eröffnete gleich wieder unsere Bibliothek mit zwei Büchern. - Freitag kam auch noch keine Post von Hellmuth. Ich wusch seine Sachen. - Samstags backte ich einen leckeren Kuchen, stopfte die Strümpfe. Aber es kam - keine Post. Ich dachte mir: er wird nun viel Liegengebliebenes zu erledigen gehabt - haben. Oder ob die Bombe geplatzt ist, und er die Versetzung beantragt hat? - Sonntag kam auch nichts. Montag früh kommt Tante Erika mit einem Telegramm - „Zustand Ihres Mannes ernst“, Kommen erwünscht. Ich weiß nicht, wie ich alles - zusammenhatte. In noch nicht 5 Minuten war ich reisefertig unten. Ich rannte nur - so durch das Zimmer der Wohnung den Schmerz unterdrückend und vor mich - hinredend. Johannes weinte. Er spürte meine Erregung. Onkel Karl meldete ein - Gespräch an. Ich hatte Angst davor und doch nicht den Mut, ihn zu hindern. - Ich hatte an den Tod nicht gedacht bei meiner Angst. Und da erfuhr ich es. - Ich mußs zweimal furchtbar geschrien haben. Tante Erika fuhr zu den Schwieger- - eltern. Die Schwiegermutter kam. Sie saßs neben mir auf dem Chaiselongue. - Mein Herz wurde eiskalt. Ich hätte ihr kein gutes Wort sagen können. - Um 1 etwa fuhren wir. Wie sehr habe ich auf dieser Fahrt gewünscht, daßs eine - Stange oder sonstwas mir gegen den Kopf schlagen musste, daßs ich sterben - dürfte. Der Rhythmus der Räder sagte mir immer nur „ich fahr zu meinem toten - Mann“. Ich war benommen. Um 10 kamen wir in Bernkastel an. Onkel Karl - kümmerte sich um Quartier. Dienstag früh gingen wir zum Chefarzt. - Ich wollte ihn sehen. Der Arzt verbot es nicht, nur sagte er mir die Gefahren, das - Entsetzen, was mich Befallen und schädigen könnte im Hinblick auf das zu - erwartende Kind ganz besonders. Ich verzichtete, und gab auch diese letzte - Hoffnung auf. Die Überführung nach Bensheim wollte er nach Kräften unter- - stützen. Ein Anruf in Bensheim ergab, daßs der Spediteur keinen Brennstoff habe - und die Bahn durfte ihn ohne Zinksarg u. eigenen Waggon nicht befördern. - Die Hitze und das Gefährliche der Krankheit (er war in Lysoltücher eingeschlagen) - machten die Beerdigung noch am selben Tag erforderlich. Ich will Euch auch diese - Stunden noch bis zum Schlußs schildern. - Um ½ 4 war sie angesetzt. Er war soldatisch aufgebahrt im Ehrenhof des Hospitals - (ein altes Kloster). Soldaten standen Ehrenwache am Sarg, der mit dem großen - Fahnentuch der Wehrmacht zugedeckt war. Kränze und Bäume sah ich. - Die Vorgesetzten grüßsten den Sarg. Eine Abteilung HJ bemerkte ich. Man brachte - mir einen Stuhl. Und da kamen die Schwestern Spranger zu mir. Es tat mir wohl. - Onkel Karl und ich waren die einzigen der Familie. Der Sarg kam ins Auto. - Und dann ging ich hinter ihm, unseren letzten gemeinsamen Weg. - Ich sprach zu ihm, hätte ich ihn doch nur noch einmal streicheln dürfen. - Ich ging und weinte kaum. Der Weg den Berg hinauf, schien mir lang. Mir war, - als wär ich mit ihm allein. Ich sag noch viel Soldaten, eine Abordnung der Partei - und die HJ trommelte den ganzen Weg Trauermarsch. Dann waren wir am Friedhof. - Ich mußste vom Grab ziemlich weit weg stehen und dann kam das Schreckliche, ich - bäumte mich dagegen auf, presste die Nägel in Onkel Karls Arm, und ich brachte es - fertig, nicht zu schreien. Der Pfarrer sprach. Es tat mir wohl. Seine Stimme ging in - mein Ohr und als er sagte: „Sein Leben ist erfüllt“, überkam mich ein leiser Frieden. - Ich wußste plötzlich, daßs unser Herrgott ihn gern hatte, daßs er ihn gestreichelt - haben wird, weil er so rein, so wunderbar gut sein Leben gelebt. - Edel war er und wahrhaftig, mein Hellmuth. Nur als seine nächsten Kameraden - zu mir kamen, packte mich der Schmerz kurz und ich weinte kurz auf. - So habe ich versucht, mit Würde da zu tragen, was Gott mir gab. - Ich war oft bei meinem Johannes. Heute hatte er doch Geburtstag. Erst wenn Du - großs bist, min Großser, wirst Du das erfahren, was ich an Deinem zweiten - Geburtstag tun mußste. Es soll Dir kein Schatten sein; denn wenn Du verständig - bist wirst Du daraus Gottes Willen sehen, da weiterzuschaffen, wo Dein Vater - abberufen wurde, selbst wenn Du nicht Musik erwählst. Wir fuhren abends noch - zurück. - Nachdem alles sich verabschiedet hatte, ging Onkel Karl nochmal mit mir zum - Friedhof, und ich sah dem Totengräber zu, wie er eine Schaufel Erde nach der - anderen anhäufte. Es beruhigte mich merkwürdig. Wir saßsen lange, und plötzlich - war ein mächtiges Gewitter da. Die Einwohner des anliegenden Hauses hatten es - beobachtet und uns mit einem Schirm in ihr Haus holen lassen. Sie boten uns Wein - an, und wir konnten dort den Regen abwarten. Nachts lagen wir im Wartesaal in - Frankfurt, und um 7 Uhr am anderen Morgen war ich wieder in Bensheim. - Das Montag im Frankfurter Bahnhof aufgegebene Telegramm erreichte meine - Eltern erst Donnerstags. Abends kam Mutter, Freitag ging ich unter ihrer Begleitung - mit Johannes nochmal zum Arzt und der stelle fest, daßs das Kind Diphterie hatte. - Es kamen für den Kleinen qualvolle Wochen, Mund und Nase waren mit dicken - Borken belegt. Jede Bewegung des Mündchens riss neues Weh. Wir hatten ihm - Manschetten gemacht, damit er nicht an den Mund konnte. Ich mußste mit ihm - isoliert im Dachstübchen leben. Jeden Tag kam eine Gemeindeschwester und tupfte - die Nase mit Wasserstoff aus und versorgte die Wunde am Füßschen, die durch die - erneute Streckung in Frankfurt erheblich aufgerissen war. - Ich lebte die Tage ganz auf Johannes konzentriert. - Das Kind unter meinem Herzen rührte sich bald. Hellmuth war mir eigentlich - noch nah. Ein innig dankbares Gefühl empfand ich für Onkel Karl und Tante Erika, - weil sie uns aufgenommen. Sie erzählten uns dann später, daßs sie Dienstags abends - vom Bahnhof kommend, Hellmuth noch getroffen hätten und ihm in die Hand rein - gesagt hätten, er könne beruhigt sein, „Anne u. Johannes sind gut aufgehoben“. - Johannes Diphterie ward von Tag zu Tag besser. Das Herz hatte nicht gelitten wie - es schien; er bekam jedenfalls nicht das vorgesehene Herzmittel. Aber dann kriegte - er den Keuchhusten und mußste schon wieder ein Serum eingeimpft bekommen. - Als er wieder unter Menschen durfte, war auch mit der Diphterie das Schlimmste - des Keuchhustens überstanden, und im September fuhr ich zur Luftveränderung mit - ihm nach Frankenhausen. In Erfurt tr afen wir Vater u. Mutter schon. - Die Frankenhäuser Tage waren für mich eine äußserste Kraftanstrengung und - Belastung. Von hier aus unternahm ich mit Sibylle dann auch die Rundreise: - Nordhausen – Köln – unsere Wohnung war von anderen Leuten einfach belegt - worden u. ich mußste etwas dagegen tun – Köln – Neuwied – Neuwied – Wittlich - - Wittlich – Bernkastel – Bernkastel – Wittlich – Wittlich – Bensheim – Bensheim - - Nordhausen – Nordhausen – Frankenhausen in 7 Tagen. In Frankenhausen kam - dann ein Zusammenbruch. Es war ein richtiger Schreikrampf. Im Oktober, etwa gegen Ende, kamen wir wieder in Bensheim an. Sibylle brachte uns. Wie treu hat - sie mir in den schweren Tagen zur Seite gestanden. Wenn sie bei mir war, war mir - auch oft als säßse Hellmuth mit dabei. - In Bensheim hatte man inzwischen umgeräumt. Ich sollte mit Johannes das als - Abstell- u. Vorratsraum benutzte frühere Bubenzimmer als Schlafzimmer bewohnen - und das Fremden- bzw. Nähzimmer sollte meine Küche werden. - Der Gasherd war angekommen inzwischen, einen Schrank lieh Tante Rose. - Es ging langsam immer mehr voran, und bald hatte ich eine kleine Küche - zusammen. - 10.2.1945 - Ich bin sehr müde heute, aber die Kriegsereignisse spitzten sich so zu, daßs ich das - Buch für Euch bis in die Gegenwart fertigschreiben möchte. - Ich hatte also nun meinen „eigenen Herd“ und wartete auf die letzten Tage. - Anfang Januar war der vorausbestimmte Termin Ich war sehr umfangreich, aber - nicht unbeweglich u. hatte auch keine körperlichen Beschwerden. - Weihnachten waren wir in Auerbach. Johannes kriegte von dem vielen Essen einen - schrecklichen Durchfall, u. ich mußste an Weihnachten zweimal das Bett frisch - machen. Am 28.12. - Johannes hatte zu mir ins Bett gewollt – ich lag auf dem - Rücken und spürte plötzlich in meinem Leib ein Geräusch wie ein kleiner Riss u. - da lief schon das Wasser in Mengen; das war morgens um 7. Ich zog mich an. - Die Hebamme kam u. nun mußste ich ja irgendwohin. Meine Papiere waren von - Darmstadt noch nicht zurück, so daßs das Entbindungsheim mich nicht nehmen - wollte. Die Hebamme erreichte dann, daßs das Krankenhaus mich nahm, obschon - die wegen Mangel an Betten nicht wollten. Ich ging also doch dorthin. Schmerzen - hatte ich keine und das Wasser wurde allmählich weniger. Um 11 Uhr waren immer - noch keine Schmerzen da. Man gab mir Chinin und das wirkte schauderhaft auf - mich. Mir wurde elend und schwach und erst als ich wieder erbrochen hatte, ging - es besser. Ich legte mich aufs Bett, weil ich mich im Sitzen und Stehen nicht - behaglich fühlte. Abends um 7 Uhr kamen dann endlich Wehen. Um 8 Uhr schickte - ich nach der Hebamme. Um 9 Uhr etwa kam sie. Die Wehen überfielen mich sofort - in 5 Minuten-Abständen u. in der letzten Stunde kamen sie vorschriftsmäßsig alle - 2 Minuten. Ich spürte wie meine Kraft nachließs. Bis 1/1 11 habe ich gekämpft, - dann kamen endlich die Presswehen. Ich vermisste sehr die Bettriemen und die - Hilfe, die ich bei Johannes hatte, Arzt und Schwester hielten mir bei ihm die Beine - u. Frl. Fritz den Kopf. Hier war nur die Hebamme zum Empfang bereit. Es waren - Gottseidank nur 3 Presswehen. Der Kopf war nicht so dick wie bei Johannes und - ich riss nicht wieder ein. Mir war es gleich, ob ein Junge oder ein Mädel war. - Eine unendliche Leere packte mein Herz; ich war am Ende meiner körperlichen u. - seelischen Kraft. Stumm habe ich alles weitere dann noch ertragen. Ich mußste - Dich, mein lieber kleiner Helmut, erst wieder so lieben lernen, wie ich Dich, - sein Vermächtnis, in meinem Leib geliebt hatte. Doch das kam sehr bald. - 7 Pfung warst Du, wie Johannes. Die Nachwehen, die 3 Tage anhalten, empfand ich - äußserst lästig. Aber das ging auch vorbei. Am 9. Tag durfte ich raus. Am 7. Tag aber - ward Helmut von Pfr. Dr. Wagner getauft und gerade an dem Tag traf Anneliese ein, - mich zu besuchen. Als sie zur Tur reinkam weinte ich, Hellmuth hätte sie mir - geschickt. Ich war etwas gerührt. Aber es war sehr sehr anstrengend und ich habe - bei der Taufe dennoch, trotz aller guten Vorsätze am Schlußs das Weinen nicht mehr - halten können. Wir hatten den Tisch als Altar geschmückt und Hellmuths Bild mit - daraufgestellt. Johannes hat es noch selber in der Kirche Kurt-Adolf-Haus - Humboldt-Kolonie gehalten. Wir haben ihn zusammen mit 2 anderen Kindern im - Septemer 41 dort taufen lassen von Pfarrer Wilcke, der uns auch kannte. - Am 10. Tag durfte ich nach Hause. Eine Menge Formalitäten waren zu erledigen. - Ich habe mich nur so rumgeschleppt, aber ich mußste es machen. Am 11. Tag kam - meine Mutter. Ich hatte mich dann sehr erkältet. Aber nach zwei Wochen mußste - Mutter wieder weg. 4 Wochen danach, am 31.1., überfiel mich eine heftige Lungen- - entzündung. „ Eubasinium“ ein Radikalmittel wurde beschafft, und die Sache wurde besser. - 3 Tage später jedoch kam die zweite Krise 40.7 ° war mittwochs abends das Fieber, - und dann saßsen Tante Erika u. Onkel Karl abwechselnd nachts an meinem Bett. - Als das Fieber so hoch stieg, fühlte ich mich sehr beschwingt. Ich sah Hellmuth - vor mir und ich hatte die Empfindung, daßs wir uns wiedersehen würden. - Ich hätte wohl die ganze Zeit zu stark zu ihm gewollt. Ich sprach viel, aber völlig - bei Bewußstsein. Tante Erika pflegte den Kleinen. Sie machte mir mein Leben für - die Kinder bewußst, und plötzlich, wie ein Erwachen, kam dann der Lebenswille - wieder. Ich beschloss zu kämpfen. Eine Woche nach all dem erfuhren meine Eltern - erst was geschehen war. Mutter kam am gleichen Tag noch; sechs Wochen hat sie - mich dann gepflegt. Ich wurde wieder ganz gesund. Lamgsam begann ich zu arbeiten. Und ich mußste auch eine neue Lebensform finden. Horchte ich während - der Schwangerschaft im Glück des alleinigen Besitzes in mich hinein, so mußste - ich nun für uns drei um mich herumschauen. Vieles sah ich da, was unserem - Hellmuth und meinem Lebensgefühl nicht ensprach, was ich als krassen Egoismus - u. Eigenliebe empfand. Dann wieder hatte ich doch Hilfsbereitschaft und Pflege - erfahren. Das wußste ich wieder nicht mit dem Ehrgeiz im Garten und der Berechnung in der Nahrungsbeschaffung zu vereinbaren. Ich hatte das Gefühl, das - man mir immerzu klarmachen wollte, wie gut es mir ginge. Und das verletzte mich - stets aufs neue, weil es von Leuten kam, die wirklich noch nichts vom Krieg - - erfahren hatten. Ich kam in seelische - Konflikte, die z.T. auch in meiner nach all dem - besonders ausgeprägten Sensibilität ihren Grund hatten. Die Aussprache zwischen - Tante Erika und Onkel Karl und mir kam. Ich löste mich vom Haushalt auch - ernährungstechnisch u. brauchte mich so nicht beschenkt zu fühlen. - Es war eine lange Aussprache. Ich stand völlig schuldig da und war doch tief im - innersten überzeugt, daßs ich nicht schuldig war, daßs ich nur nicht die richtige Form - der Übersetzung des Konfliktes verstanden hatte. Wir hatten uns versöhnt. Doch es - wurde nicht mehr so, wie es früher war. Ich gab auch meine Meinung über die - Arbeit später mal Ausdruck und die von Tante Erikas Auffassung so entgegengesetzt, - daßs wir es nun überhaupt vermieden über das Nötigste hinaus miteinander zu reden. - Sie ist eine fabelhaft tüchtige Hausfrau. Aber sie lebt nur ihrer Familie . Was darüber - hinaus geschieht, ist Pflichterfüllung, wohl wie ich anfänglich meinte, Begeisterung - oder Herzenszwang. Damit habe ich denn auch das Problem meines Alltags dargetan. - - Im Juli war Mutter dann wieder hier, damit ich nach Bernkastel fahren konnte zu Hellmuths Grab. Wie froh bin ich, daßs ich trotz der Reisebeschwernisse dorthin - bin. Ich war bei Schwester - - 7. Klasse: „Das alte dtsch. Volkslied“ - - 6. - " : „ " historische " - - - 7. Kl.: Liliencron - 1530, C.F.- - Technik – Lochamer Ldb., Kölner - - Ldb. Arnt v. Aich - - - - Gomy etwa von Minnesang - bis 1530 - - Dazwischen: Histor. - Volksl. (im Anschlußs an 6. Kl.): - - 6. Kl.: Historische Volkslied. - Germanische Gesänge: - Völkerwanderung: - Alwine. Sie hatte besonders Hellmuth's seelisches Bedrücktsein von der Arbeit her - in Erinnerung. In der Fieberphantasie habe er immer von seinem Vorgesetzten - erzählt und dann gesagt, Schwester hört es niemand mit. Daßs er sein Kind suchen - müsse und dann wieder sagte, „ach das machte ja meine Frau“ war ihr auch noch - lebhaft in Erinnerung. Das war gleich am 25. Ich wohnte bei Well in Wittlich. - Am 26. fuhr ich dann wieder hin, telefonierte aber vorsichtshalber von Wittlich aus - - um Blumen. Am 27. fuhr ich zu Ludwigs nach G ipperath. Wie haben die sich gefreut - und wie waren sie traurig, daßs Johannes nicht dabei war und ich abends schon - wieder wegfuhr. Frau Ludwig suchte mir dann für Hellmuths Grab einen wunder- - baren Feldblumenstraußs zusammen. Er war das Schönste, was ich ihm bringen - - konnte, war er doch aus G ipperath. - Am 28. fuhr ich also nochmals nach Bernkastel. Am 29. nach Koblenz zurück, auf - der Hinfahrt hatte ich auch bei Frau Stein Station gemacht u. Adolf Mark in Kobl. - Gesprochen. Dann fuhr ich auch nach Kreuznach und von da nach Bensheim zurück. - In Kreuznach war ich fremd. Ich werde nicht warm. Die beiden Menschen sind so - sehr in ihrem Kreis eingeschlossen, daßs man keinen Eingang findet. - Jetzt wissen wir nicht, ob wir nicht nochmal obdachlos werden. Im Osten steht der - Russe tief in unserem Land. Im Westen beginnen neue Offensive. Grausam geht ein - Orkan über unser Vaterland, das aus Millionen Herzen blutet. - Meine Gefühle für meine Umgebung habe ich geklärt; ich lerne allmählich mit der - Welt fertig zu werden, wie sie ist, nicht wie wir sie uns vorgestellt haben. - Mein Leben ist viel Arbeit zur Zeit mit harten Stunden. Aber ich habe den Willen, - meine Kinder Hellmuths Geist noch großszuziehen und den Glauben, das jedes - Opfer seinen Sinn hat, weil sonst der Sinn des Lebens, der Welt fraglich wäre. - 4.5.1945 - Wir sind nun „amerikanisch“ wie sie hierzulange sagen. Am 23.3. (Freitag) gab es - 5-Minuten-Alarm, das Zeichen, daßs die Amerikaner in der Nähe waren. - Die Tieffliegerangriffe hatten sich in der letzten Zeit schon ins Unerträgliche - gesteigert. 2 Bomben waren auch in unseren Garten gefallen. Im Garten war ein - Bunker. Er hatte aber weder Tür noch Fenster. Helmut war erkältet. Er fieberte. - Die seelische Atmosphäre war bedrückend. Onkel Karl und Tante Erika planten und - - packten. Nicht einmal beatschlagten sie mit mir, was ich am besten machen solle. - Sie hatten ihre Rucksäcke u. Räder bereit um zu fliehen. Nie habe ich gespürt, wie - sehr man auf sich allein angewiesen ist wie in den Tagen. - Ich ging dann Samstags rüber in den Fabrikbunker, packte in einen 20 Pf.-Korb - Verpflegung, Brot, Butter, Marmelade, Obst, Fleich (eingekocht) und richtete mich - aufs Bunkerleben ein. Helmut fieberte. Wenn er in den dunklen Bunker kam, brüllte - er aus Leibeskräften. Bis Dienstag haben wir darin gelebt. Ich war wirklich einmal - der Verzweiflung nahe. Die Matratze, auf der das Kind lag, war ganz feucht. - Schmutzig u. verschmiert kamen wir Dienstag früh aus den Bunkern in Bensheim. - Um ½ 11 Uhr waren die Amerikaner da. Und nun sind schon etliche Wochen vorbei. - Der Führer soll tot sein, Göbbels auch. Im Land bebt ein Revolutionieren gegen - alles was „Nazi“ riecht an. Meinen Vater hat man Anfang März noch schnell zum - Soldten gemacht. Er war als Schütze in Ffm. Vereidigt. Nun wird er in amerikanischer Gefangenschaft sein. Ich hoffe sehr, daßs es ihm gut geht. - Mein Schwiegervater ist als stellvertretender Landrat (Regierungsrat) in Heppenheim - eingesetzt, d.h. er hat sich einsetzen lassen. Ob er einen solch anstrengenden Dienst - nach 12 arbeitsfreien Jahren aushält? - Ob Deutschland kommunistisch wird? Wenn ich die Russenfrauen mit ihren roten - Tüchern rumlaufen sehe, und dann wieder unsere Arbeiterfrauen (von einigen - Lumpenweibern abgesehen) betrachte, so meine ich, daßs wir über eine solche - Staatsform hinaus gewachsen sind. Man kann unsere Arbeiter nicht mehr mit - solchen Menschen identisch erklären .Was mag für eine Entwicklung kommen? - Wie man uns auf den Hunger vorbereitet; wie man uns so klein und mundtot machen - will!! Warum nur immer die selben Fehler. Druck erzeugt Gegendruck. Ich sehne - mich nach einem eigenen Heim. Fernab von gehässigem Reden und Tratsch. - Seitdem kein Gas da ist, mußs ich alles unten kochen und wegen jedem bischen - zum Wärmen runter. Es ist eine großse Belastung. Vielleicht kriege ich doch mal - irgendwo eine Wohnung. - 5.8.45 - Das war wieder so ein trauriger Geburtstag. Meine Eltern würden meinen Kindern - ein paar Blumen in die Hand gegeben haben. Als im vorigen Jahr meine Schwieger- - mutter diesen Tag lieblos überging habe ich mich entschlossen, auch den Geburtstag - der Schwiegereltern nicht zu wissen. Ich habe denn auch Onkel Karl u. Tante Erika - nicht gratuliert. Vielleicht sollte ich es anders machen. Aber ich kann nicht, wenn - man mich so übersieht. Ich will auch die letzten harten Monate schildern. - Die Wohnungssuche durch das Amt war erfolglos. Ich konnte nur meine jetzige - Wohnung als Tausch anbieten. Ich bat den Schwiegervater. Aber er verwies mich an - das Wohnungsamt. Die PG sollten alle aus den Wohnungen raus. - Mein Schwiegervater schimpfte furchtbar über Angelberger, der ihn sehr gekränkt hatte und seine „Werkswohnung“ wegen seine Mitgliedschaft gekündigt kriegen - sollte. Ich bat meinen Schwiegervater, sich mit dem Wohnungsamt in Verbindung - zu setzen. A. jedoch konnte nachweisen, daßs er nicht PG war. Er sollte in meine - Wohnung bei Onkel Karl. Das war natürlich ein unmöglicher Zustand. Onkel Karl - schlug vor, daßs ich in die Räume von Tante E. ins Büro ziehe und Tante Elis. rüber - in meine Wohnung. Angelberger solle bleiben. Tante Elisabeth erklärte sich bereit. - Ich solle dann das dritte Büro noch dazu bekommen. Inzwischen ritt dann die Tante - Elisabeth auch wieder auf dem alten Gaul: ich gehöre in das Haus nach Auerbach, - wenn Anneliese ginge. Wann A. Geht, ist bei der derzeitigen Lage nicht abzusehen. - Ich habe mich schrecklich aufgeregt an dem Tag, es war am 12. Juli. Sie kam dann - und entschuldigte sich. Aber ihr Sturrwillen ist doch geblieben. Dieser Tage erklärte - sie ganz unfreundlichin Gegenwart von Tante Erika, sie könne sich nicht auf einen - bestimmten Tag festlegen. Ein Schwall von Begründungen folgte und es ging nicht, - sie könne sich nicht festlegen. Sie wolle also gar nicht, fragte ich? Davon könne - keine Rede sein. Aber sie könne sich nicht festlegen. Ich hatte sofort den Eindruck, - daßs sie auf diese Weise die Sache hinausschieben wolle, vielleicht, daßs Anneliese - doch bald binge und Auerbach wieder akut würde. Am nächsten Tag ging ich nach - Auerbach, sagte es der Schwiegermutter das sie sagte: Du willst ja nicht hierhin. - Ja sagte ich, Du aber auch nicht. Wenn es gar nicht anders geht, gut dann will ich - eben sagte ich. Ich weißs, daßs es nicht gut tut sagte sie, ich stehe dann immer - dazwischen. Ich ging weg und sagte ihr, „rede mit Deiner Schwester 'Elisabeth mal“. - Am nächsten Tag kommt Tante E.zu mir in heller Empörung: Die Oma sagt, sie - wolle mit mir reden, daßs sie aus ihrer Wohnung ginge. Wie ich dazu käme. - Was das für eine Art sei. Sie wolle ja raus. Aber sie habe so viel zu tun; sie schlafe nicht am Tag. Tante Elis. ist von nervöser Energie. Sie verbreitet Unruhe mit ihrem - Wesen und weißs nur von ihrer vielen Arbeit, dabei ist sie doch allein. - Eigentlich müsste man sich doch in der Beziehung nach mit mit meinen Kindern - richten. Mich ekelte das alles so an, daßs ich ihr sagte, ich könne nicht mehr über die - Wohnungssache mit ihr reden, sie möge davon nicht mehr sprechen. - Sie redete jedoch weiter vorwurfsvoll auf mich ein, so daßs ich, um nicht heftig zu - werden, sie einfach in der Küche sitzen ließs u. ins Schlafzimmer ging, genau so - ließs ich sie mit ihrem Wortschwall allein, wie unten in der Küche. - Angesichts all der Widerwärtigkeiten war mir der Gedanke gekommen – wie schon - so oft – nach Köln zu reisen und mich an Ort und Stelle von der Möglich- oder Unmöglichkeit eines Zuzugs nach Köln zu überzeugen. Ich gab vor, zur Regelung - meiner Pensionssache nach D'dorf zu wollen. Das hatte ich allerdings an zweiter - Stelle auch vor. Ich ließs mir für den 7.8. eine Reisebescheinigung (bis Gießsen - gilt die nur) geben. Aber Pässe gibt es im Augenblick nicht. Und nun rieten mein - Schwiegervater u. verschiedene andere Leute mir ab, im Moment zu reisen, weil - soviel Wagen eingezogen und die neuen Bestimmungen in Ausarbeitung wären. - Ich fuhr Freitag früh mit dem Schwiegervater nach Heppenheim mit Johannes. - Walls ziehen aus Tante Elses Teilwohnung raus: sie wollen nach Bremen. - Ich fragte ihn, ob ich nicht in die Wohnung könne. Das Wohnungsamt kriegt die - Wohnung ja doch, u. Kinder kommen auch wieder rein. Ich sagte ihm die - Schwierigkeit mit dem Umzugstermin u. daßs ich Klarheit wolle, ob ich ins - Auerbacher Haus soll oder nicht. Er lehnte es ab. Damals hätte ich nicht gewollt und - Onkel Karl u. Tante Erika hätten mich zu sich rübergezogen. Sie müssten jetzt auch - sehen. Ich sagte, daßs ich das Dazwischenhängen nicht mehr aushalten könne. - Ich hätte ja 2 Jahre da gewohnt. Aber auch nur die geringste Unfreundlichkeit mir - gegenüber seitens Kreuzers würde sich bitter rächen. Onkel Karl könne froh sein, - wenn er eines Tages kleiner Angestellter in seinem Werk bleibe. Ich solle meine - Kinder großziehen und meinen Garten machen und nicht so verrückte Ideen wie - Englischlernen und Autofahren haben. Ich sagte ihm daßs das Englischlernen keine - verrückte Idee, sonder neine sehr nützliche Angelegenheit sei und im übrigen das - einzige Vergnügen, das ich habe. - Ich bin nachmittags zu Onkel Karl ins Büro und habe ihn gebeten, mir die Wohnung - bald zu geben. Das Wohnungsamt würde die Räume doch wieder belegen und für - das Büro wäre es wohl auch besser, es können unten keine Kinder hin. - Die baulichen Veränderungen fallen dann ja auch weg. Er wäre auch nicht auf den - Gedanken gekommen. Er wolle mit Tante Else reden und mi sofort Bescheid geben. - Auf den Bescheid warte ich schon drei Tage. Es ist ein furchtbarer Zustand. - Ich habe Onkel Karl auch gesagt, daßs der Schwiegervater garnicht daran denkt, - mich in sein Haus zu nehmen, und auch daßs er einen furchtbaren Hass auf - Kreuzers habe. Ich lebe nun völlig zurückgezogen. Seitdem Tante Erika u. Onkel - Karl mir gesagt haben, ich hätte einen Fritsch u. keinen Kreuzer geheiratet, habe ich - überhaupt keine Fühlung u. Wärme mehr mit unten. Mit Tante Else kam ich nie näher ins Vertrauen, Tante Elisabeth kann ich nach dieser Grobheit meine Zuneigung - so schnell nicht wieder zuwenden u. Tante Rose, zu der ich Freitag fuhr, ob sie - Johannes nimmt, wenn Anneliese noch nicht da sein sollte, sagte auch, daßs ich nach - Auerbach gehöre u. die Kinder müssten eine männliche Hand haben. - Ich bin bereit, Nahrungssorgen oder Geldsorgen zu ertragen wenn es nicht anders - geht. Aber meine persönliche Freiheit lasse ich mir nicht nehmen. Ich stehe als - Freunde in diesem Kreis von Verwandtschaft. Ich werde ihnen allen jetzt bewußst - fremd. So gehe ich denn meinen eigenen Weg. Ich wäre unverträglich, hat Tante - Erika mir gesagt. Gottseidank beweist mein bisheriges Leben das Gegenteil. - Sicher habe auch ich meine Fehler mit denen ich zuweilen anecke. Irgendwie aber - habe ich das Gefühl, daßs ich so handeln mußs, wie ich handele, auch wenn es - vielleicht nicht in den vorgeschriebenen Verwandtenlogismus fällt. - Ich will die Nüsse knacken, die Gott uns gibt, wie Goethe sagte. Nun warte ich - darauf, daßs ich doch mal eine Wohnung kriege. - Wie mögen meine Eltern heute an mich gedacht haben. Vielleicht hat mancher - andere auch meiner gedacht. Es wär schön, wenn ich einmal nach Köln könnte. - Meine Käthe und Hilde Vollheim haben meiner gedacht. Vielleicht ist es nächstes - Jahr schöner an meinem Geburtstag. - 12.1.1947 - Der Geburtstag im vergangenen Jahr war freilich schöner! Ich reiste an dem Tag - zu den Eltern nach Köln. Es war schon einmal ein 5. August an dem ich gereist bin; - das war 1934. Da hatte ich drei Tage zuvor in Frankenhausen meinen Hellmuth - kennen gelernt und fuhr beseligt und in der Fensterecke glücklich träumend mit - erwartungsvollem liebenden Herzen heim. Ob er wohl wirklich schreibt? Und ein - paar Tage später kam ein lieber Brief, so lieb, daßs ich mich schnell ins Schlaf- - zimmer zurückzog und weinte ... zum ersten Mal in meinem Leben vor Glück und - Erschütterung weinte. Das ist der größste Verlust an den Sachwerten, daßs auch all - die tausend lieben Worte mitverbrannten. - Ja, und 1946 fuhr ich wieder – und nun - eben mit seinen beiden Buben, und im Herzen eine dankbare Wehmut. - Von 45 bis 46 war – wie die beiden Jahre zuvor – ein hartes Leben. - Aber es begann auch der ruhigere Abschnitt, in dem ich jetzt bin und wo ich die - Kraft sammle, für ein Wirken, das meinem Körper zuträglicher sein dürfte. - Ich hoffe es, und werde es vielleicht in dem Jahr noch versuchen, wieder in den - Beruf zu gehen. Garten- und Hausarbeit töten in mir allen Mut. - Das nur ein ganzes Leben lang zu tun in dem Bewußstsein, wenn die Kinderchen - großs sind, gehen sie ihre eigenen Wege, werden eigene Persönlichkeiten und dann - ist bei dir die Leere, die du für diese Zeit ahnst, greifbar, dieses deutliche Bewußstsein zu haben, ohne zu handeln, ist mir wider die Natur. Sollte ich Berufs- - arbeit aus gesundheitlichen Gründen dann später doch drangeben müssen, so ist das eben ein Grund, dem ich mich fügen mußs. Finanzielle Erwägungen habe ich allerdings auch dabei. - Also ich bezog dann im August 45 so ziemlich mit allen in Heißsstimmung die - Büroräume. Selbst Onkel Karl war von der Hitze gegen mich angesteckt und meinte, - er könne ja verstehen, daßs ich meiner Buben wegen hier nahe am Werk bleiben - - wolle, um für sie später eine Existenz zu haben. Ich machte ihm aber klar, daßs ich - daran wirklich noch nie gedacht habe und immer noch den großsen Wunsch in mir - trage, nach Köln zurückzukehren und die Kinder in die Kreise zu bringen, in dem - mein Hellmuth und ich gelebt hätten, nämlich vorwiegend in Musikerkreise. - Ich lebte herrlich für mich unten im Büro. Nur war ich oft in Sorge, wenn die - Kinder so lebhaft spielten, es störte doch sehr. - Weihnachten hatte ich dann ein sehr grauriges Erlebnis in Auerbach. - Wir waren zum Mittagessen eingeladen. Nachdem ich beim Spülen geholfen hatte, - empfahl mir die Schwiegermutter, mit Johannes spazieren zu gehen. Ich war sehr - müde von dem Fußsweg dorthin, aber sie wollte ihren Mittagsschlaf machen. - Ich war erregt und sagte, da dann lese ich erst mal den Brief, den ich eben vom - Postboten erhielt. Es war eine der ersten Nachrichten, die von Mutter kam. - „Wohin soll ich, wir müssen alle aus Thüringen raus und Vater ist noch nicht zurück. - Ob er noch lebt?“ Ich las einige Sätze laut, konnte aber vor Erregung kaum weiterreden u. ging raus. Da sprach sie mir nach. „Aber hierhin kann sie doch nicht - kommen“ Wir haben keinen Platz und du doch auch nicht“. - - Ich sagte ihr nur noch, glaubst du denn, meine Mutter hätte zu DIR gewollt? - Dann zog ich meinen Johannes an (Helmut schlief) und ging mit ihm aufs Auerbacher Schloßs. Ich kämpfte lange, ob ich das Haus noch mal betreten sollte. - Dann dachte ich an die Kinder, die den Lichterbaum wollten. Und ich mußste ja auch meinen Kleinen haben. Ich bezwang mich u. tat, als sei nichts gewesen. - - Und auch das - Weihnachtsfest ging vorbei. - Im Januar starb Tante Else. Sie hatte mir damals im August die bittersten Vorwürfe - gemacht, daßs ich mich so mit Tante Elisabeth verbunden und als sie so krank - gewesen, sie habe liegen gelassen. Ich habe danach nicht recht gehandelt. - Ich erinnere mich auch eines peinlich-bedrückenden Gefühls, als ich einmal in ihrem - Krankenzimmer war. Tante Elsa war gar nicht schonend mir gegenüber bei der - Aussprache und ein „Pfui, schäme Dich“ traf mich nur, weil ich sie nicht mitgepflegt - hatte, ins Herz. Sonst aber, bei allem Gerede über die Wohnung, spürte ich doch zu - sehr Tante Erika, Tante Auguste und Tante Elisabeth. Es war ein Klüngel. - Auch das ist vorbei, und ich schätze die Frau sehr hoch, wenn ich auch lange - brauchte, bis ich es verdaut hatte. - Bei der Nikolausfeier in meiner Büroküche war sie aber recht froh mit dabei. - Im April kam Onkel Karl und fragte, ob ich in Tante Elses Wohnung ziehen wolle. - Das Wohnungsamt interessiere sich bereits dafür, und es kämen sonst Flüchtlinge - rein. Die „Büros“ hatte ich liebgewonnen, und ich war im übrigen so überrascht von - - dem Angebot, daßs ich mir eine Nacht Bedenkzeit ausbat. - Nachher konnte ich selber nicht verstehen, warum ich nicht sofort zugegriffen - hatte. Am 7.4. zog ich also auf die zweite Etage. Und hier fühle ich mich recht wohl. - Wie herrlich, nun hoffen zu dürfen, Hellmuth käme wieder! Ich stelle mir so oft vor, - wie er auf der Couch sich ruhte und wie er mir zuschauen würde, oder wie er sich - dann mit seinen Buben vergnügen könnte. - Im Sommer fuhr ich dann zum zweitenmal nach Köln, nachdem ich im November - mit Johannes schon mal aufs geratewohl hin war u. bei Fürst's Aufnahme gefunden - hatte. - Die Eltern waren dann, als nach Vaters Rückkehr im Januar, trotz seiner vielen - Bemühungen in Thüringen keine Bleibe u. Arbeit zu finden war, nach Köln gereist - und hatten mit dem Bau eines Behelfsheims begonnen. - Bevor ich dann zum zweitenmal im Sept. hinfuhr und Helmut nach Auerbach gab, - hatte ich das unerfreulichste Gespräch mit der Schwiegermutter, das unsere - Beziehung zueinander nun endgültig zerstört hat. Sie haben nämlich auch noch das - Bad hergeben müssen. Darüber war sie außser sich und sie tobte fast. - Ich sagte ihr, daßs es ja jetzt im Haus so sei, wie Hellmuth es gedacht hatte. - Heute aber hätten sie drei fremde Familien drin. Damals wäre das nicht möglich - gewesen und sie hätte schon das Umräumen der Zimmer als ein Opfer bezeichnet. - Ich solle mich zufriedengeben, Schadenfreude wär auch eine Freude und es würde - schon noch so, wie wir es gewünscht hätten und Anneliese müsste jetzt auch büßsen, - daßs es ihr so gut gegangen sei. Ich sagte daraufhin, es sei ein Trost in der Welt, - daßs es eine ausgleichende Gerechtigkeit gäbe. Immer wieder sagte sie hämisch, - Schadenfreude sei auch eine Freude. Bis ich ihr erklärte, daßs sie irre, ich freue mich - nicht darüber, sondern was heute in dem Haus vorgehe, lasse mich völlig kalt und - ich dankte jeden Tag unserem Herrgott, daßs er mir so eine schöne Wohnung - gegeben und daßs ich nicht in das Haus gezogen wäre. Wenn ich damals gewollt - hätte, wäre alles gegangen sagte sie. Ich erinnerte sie an die berüchtigte Verein- - barung, die ihr Mann Hellmuth vorgelegt hatte und sagte, daßs ich dann doch nur - hätte das Dienstmädchen in ihrer Küche sein dürfen. Und dann sagte sie das - Ungeheuerliche: Sie habe es sich lange überlegt, wenn sie bedenke, wieviel Geld - Hellmuth gekostet habe und was sie ihm alles gegeben hätten, was für eine sorglose - Kindheit, dann müsse sie immer wieder sagen, er sei ein undankbarer Sohn gewesen. - 15.000,- habe sein Studium gekostet. Ich sagte ihr, daßs da aber auch drin berechnet - wäre, wenn sie ihm schon mal ein Päckchen gesandt hätte. Ja sicher, das gehört auch - dazu. Und dann wenn er in Ferien da gewesen sei, wäre er immer mißsgelaunt und - sobald die Ferien zu Ende gegangen, recht fröhlich pfeifend u. vergnügt zu sehen - gewesen. Ich sagte ihr, daßs ich mir das nachträglich zur Ehre anrechne. - Aber daßs sie doch wohl etwas falsch gemacht hätten, nämlich sich nicht um sein - Vertrauen bemüht hätte. Er habe gewußst, wenn er ihnen von mir erzähle, würden - sie unser Verhältnis zueinander nicht verstehen. Sie solle doch ehrlich sein, die - ganze Aufregung hinterher und während der Zeit wäre nicht gewesen, hätte ich Geld - gehabt. Nein, die Kreise wären es vor allen Dingen gewesen, sagte sie. - Ich sagte ihr, hätte ich Vermögen aufzuweisen, ihr würdet ihm nicht das, was er seit - der Schule angeblich gekostet hat, vorgerechnet haben. Nein, er hätte noch etwas - mehr kosten dürfen, sagte mir die Frau ins Gesicht. Immerhin bin ich inzwischen - die Mutter ihrer Enkelkinder. - Ich mußs das alles so ausführlich aufschreiben, um die Weiterentwicklung dieses - „Familienlebens“ gerecht später würdigen zu können. Aber daßs sie immer wieder - betonte und sagte, es sei in undankbarer Sohn gewesen, brachte mich dann doch aus - der Fassung. „Ich lasse es nicht zu, daßs Du so sprichst, Hellmuth ist ich und ich bin - Hellmuth.“ Es nützte nichts. - Sie hätte damals 1942 zu ihm nach Wittlich fahren wollen als die Mißsstimmung - war. Er wäre sicher, vielmehr er hätte sicher wieder nach Hause gefunden, meinte - sie an der Türe als ich ging, worauf ich ihr erwiderte, er habe ja nach Hause - gefunden, er sei ja zu ihnen gekommen - „und wie habt ihr ihn behandelt?“ - - Diese September-Reise nach Köln war sehr schmerzensreich. Aber als ich in - Köln-Deutz ausstieg, hatte ich wie nie so stark das Gefühl, er ist bei dir. - Er ging fast spürbar neben mir und ist so merkwürdig froh, weil ich wußste, daßs er - mich verstünde, ganz einfach, weil wir auch über den Tod zusammengehören, nicht - nur durch unsere Kinder. Auch wenn ich eines Tages würde einen anderen Mann - heiraten, bliebe das so, weil ich ohne Hellmuth eben nich ICH wäre. - Ich könnte mir denken, daßs Zuneigung und Zartgefühl sehr wohl eine solche - Vergangenheit in ein neues Leben einbauen können. Aber das sind fast philosophische Erwägungen. Vorerst packe ich unser Leben mal weiter an. - Mit meinen Berufs-Ideen werde ich in Auerbach sicher auf Widerstand stoßsen. - Weihnachten 46 ist nun auch vorbei. Mutter war bei uns. Es war friedlich-festtäglich - die ganzen Tage. Sie sieht so schlecht aus. Aber das Häuschen im Garten steht. - Jetzt kommt die Innen-Einrichtung. In Auerbach steht zwar noch alles dreifach. - Als ich aber fragte, ob sie verkauften, darauf erklärten sie nein, obschon ich dazu - sagte, für meine Eltern. Aber es wird auch eines Tages der Strohsack gegen eine - Matratze und der Luftschutz-Bettrahmen gegen ein Bett eingetauscht werden - können. - Im Februar möchte ich nun mal nach Düsseldorf, um mich über Pensionsdinge - im Falle irgendeiner Beschäftigung genau zu unterrichten. - -