Bilderliste

Eine Liste von Bildern, die nicht zur Aufbewahrung geeignet schienen- bei Gepäckaufbewahrung muss ich an diensthabende Beamte hinter Brillengläsern, meist runde "Dienstbrillen", denken, die mit gleich bleibender Ruhe und Beharrlichkeit ihre Eigenschaften auch auf ihr Publikum auszugießen bedacht sind - immer einen Blick über den Rand riskierend, wie wenn es gefährlich wäre, den Herrn Bügermeister nicht geziemend zu begrüßen, falls jener mal sein Gepäck hier aufzubewahren gedächte (welch idiotische Vorstellung in einem Kleinstadt-Bahnhof) - eine Lösch-Liste von Bildern sozusagen, von denen jetzt, zwei Tage später nur noch eine Nummer auf einem Zettel übrig geblieben war, solch eine Liste fiel mir in die Hände und verschwand sofort wieder an ihrem Platz: Weil ich mir sicher bin, nicht doch noch Lust zu bekommen, gelöschte Objekte aufzuspüren und noch einmal diesen Prozess zu durchlaufen, mir das Bild anzuschauen, festzustellen, dass es zu nichts tauge und wieder und wieder die Entscheidung zu treffen: weg damit. Ich musste mich nun fragen lassen, warum ich diese Liste mit zum Teil fortlaufenden Nummern überhaupt noch hatte und nicht gleich vernichtet hatte. Es wäre zwecklos gewesen, hätte ich sie sofort vernichten wollen, dann hätte ich sie sicherlich in den Kamin geworfen: der aber war schon seit einiger Zeit nicht mehr an, dank der Zentralheizung und diente eigentlich nur als Papierkorb für Zettel, unabgeschickte Briefe, Geschenkpapier, zerrissen, und ab und zu ein Restholz. Brettchen vom Frühstück zum Beispiel, die wegen ihrer Spülmaschinen-Vergangenheit schneller anfingen zu schimmeln und dann wahrlich zu nichts anderem mehr taugten als verbrannt zu werden. Meist ein paar Monate später, wenn der Kamin, eine offene Feuerstelle, zu voll geworden war. Und dieser Gedanke hatte mich wohl davon abgehalten, den Zettel mit den Nummern in den Kamin zu werfen: weg wäre er dann auch noch nicht gewesen und jede beharrliche Nachfrage nach einem bestimmten Bild, das ich zwischen dem einen und dem andern aufgenommen hatte, hätte unweigerlich dazu geführt, dass ich hätte beweisen wollen: Ja, da war ein Bild dazwischen, aber es hatte meinem kritischen Augen trotz mehrfachen Anschauens und sich Vergewisserns nicht standgehalten. Solchen verwickelten Geschichten wollte ich von vornherein aus dem Weg gehen. Ich hätte die Liste also direkt und ohne Umschweife anders vernichten müssen oder diesen Zettel einfach rumliegen lassen, bis ich mich nur noch vage daran erinnern würde, was diese Zahlenkolonnen denn nun wirklich bedeuteten und warum ich gerade sie aufbewahren wollte. Diese Liste wäre zu all den andern Dingen dazugehörig geworden, die über sich selbst hinausweisen aber deren Sinn, Ziel und Zweck nicht mehr und niemandem mehr einsichtig geworden wäre. Dieser Prozess läuft mit nicht geringer Geschwindigkeit ab, wie ich eben anhand dieser Liste ausmachen kann. Bei den meisten Nummern oder Bildern wüsste ich schon heute, zwei Tage später nicht mehr was es war. So bin ich also guten Mutes, dass der Prozess der Vernichtung von Information reibungslos läuft, auch bei mir.