Laeutegruppe3

Das war die Zeit, als Kirchen erst anfingen, sich, falls es ihnen gut ging, ein elektrisches Läutewerk anzuschaffen. Unsere sollte aber keins bekommen. Das war klar angesichts so schmaler Klingelbeutelerträge, die auch noch für andere Sachen – dahinter verbarg sich die schwarze Kasse des Pfarrers-  also für die Diakonie der Gemeinde herhalten mussten.

Das war schon eine wichtige Sache. Wir hatten als Katechumenen und Konfirmanden eine echte, hörbare Aufgabe: Samstag abends um sechs Uhr volles Geläut um den Sonntag einzuläuten! Und dann natürlich auch jeweils Sonntags zum Gottesdienst. Manchmal zwischendurch noch eine Hochzeit oder sonst was Besonderes.

Es gab im Glockenstuhl drei Glocken, die waren an einem sehr dicken Baumstamm-Stück fest angeschraubt und in einem extra gezimmerten Glockenstuhl gelagert. Oben an dem dicken Holz war ein fester Schwengel mit einem Seil dran. Hanfseil, doppeldaumendick.

Das ganze dreimal, die Seile hingen so runter, dass man zur Not auch beidhändig alle drei Seile bewegen konnte. Das wurde aber eigentlich für zu schwierig erachtet – und wäre in eine Tanzerei ausgeartet, weil die Schwingfrequenz der Glocken natürlich recht unterschiedlich war und so  gingen wir immer zu zweit rauf. Mädchen und Jungen gemischt.

 


Es gab so einen Terminplan, da stand dann drauf, wer dran war.

Frau Stach, die Küsterin, ließ uns immer rein, weil die steile Treppe ins Dach der Kirche in ihrem oberen Flur begann.

Fräulein Nünninghoff, die Organistin, älter schon und mit dicker Brille, musste jeweils ein kleines Knöpfchen drücken, dann leuchtete oben ein Taschenlampenbirnchen und das hieß für uns einmal mit dem Kartoffelstampfer an den Rand der Glocke, von außen schlagen – beim Fürbittengebet gegen Ende des Gottesdienstes. Totensonntag war anders: Da wurden alle Toten des vergangenen Jahres mit einem Kartoffelstampferschlag geehrt. Das konnten schon mal ein paar Dutzend sein, damals, halbelektrisch,  mit Tasschenlampenbatterie, Klingeldraht und Birnchen.

Der Dachboden war natürlich nicht trittschallgedämmt- wenn man also während der Predigt, was eigentlich zu früh war, denn man hatte ja mindestens ein Lied nach der Predigt Zeit bis das Fürbittengebet, oder das Glaubensbekenntnis oder das Vaterunser kommen würde, schon zum Kartoffelstampfer hoch schlich, sollte man aufpassen, eher auf den Tragebalken zu laufen, damit es nicht so knarzt.

Wenn man ganz ruhig war, konnte man dem Pfarrer zuhören, die Orgel hörte man natürlich schon eher. Oben im Glockenturm konnte man nicht weit schauen durch die Ritzen, da waren nämlich so nach unten schräge Lamellen in den Fenstern.  Vielleicht war etwas Geheimnisvolles an den Glocken: von außen konnte man keine einzige Glocke sehen. Ich meine mich auch zu erinnern, dass wir Weihnachten mal diese schrägen Lamellenbretter rausnehmen durften, damit man die Glocken weiter ins Land hinaus hört.