Kater

Mein Husten ist schon lockerer geworden, dieser Winterhusten. Bei der Auswahl der Brotaufstriche am zweiten Weihnachtsfeiertag stellen sich Schwierigkeiten ein, von denen nur der Kater etwas ahnt. Das heißt, er weiß es. Es ist schon erstaunlich über wieviele Meter er riechen kann: Zur Stelle. Dann hatte ich ein längeres Gespräch mit ihm, es wurde sehr schnell philosophisch, weil er die Fähigkeit hat, mit seinen Augen Dinge und insbesondere meine Verhaltensweisen zu hinterfragen. Sein Blick ist manchmal klar und durchdringend, ich kann mich dann nur irgendwie rausreden, wenn ich darauf verweise, dass er schon gefüttert worden sei, gestreichelt, alles bekommen hat, was ihm so zusteht. Und doch, sein Blick fordert die Unterhaltung: Wie wenn er ein Recht hätte, darauf zu pochen, dass man sich als Morgenwesen mit ihm unterhält, vielleicht statt Streicheln ihn unterhält. Wir diskutieren über Barthaare und die Fähigkeit, sich in der widrigen Welt zurechtzufinden- mein mehrfaches Angebot, ihn rauszulassen und seine Antworten. Es geht um gegenseitige Abhängigkeit, um Normalität und Regelmäßigkeit, um Gefüttertwerden und die Fähigkeit zur Kommunikation. Er legt sich ostentativ mit dem Hintern auf den Teppich, wie Sphinx- dorthin schauend wo ich schon lange nichts mehr sehe- er kann durch Wände schauen und sich akustisch seine Vorstellung machen von irgendwas dahinter, was mir natürlich verborgen bleibt. Aber er zeigt mir, dass meine Wahrnehmungsgrenzen andere sind als seine. Im letzten Gespräch habe ich betont, wie zuverlässig ich ihm gegenüber sei. Er sei davon fett geworden und winterlich gepolstert, und was er denn für mich im Gegenzug- da begann er einfach zu schnurren. Jedes Gespräch ist so ähnlich, er will immer das letzte Wort haben- nein nicht Wort es sind ja diese bedeutungsschweren Blicke, das Schnurren als Punkt-Ende-Aus . Oder einfach das Weggehen. Dann ertappe ich mich dabei, wie ich triumphierend meine beiden Hände, auf die Ellenbogen gestützt, in die Luft hob und beginne Luft-Klavier zu spielen, schlanke, lange Finger, die sich spielerisch und Ernst bewegen konnten, ja, auch ihn kraulen könnten, Dosen öffnen, Leckereien verpacken oder aufmachen und triumphierend ihn anschaue und behaupte, dass er deshalb sich unterordnen müsse, auch und gerade emotional, weil ich diese Hände, diese Finger habe. Und weil ich mir nur deswegen sicher sein kann, sicher sein, ihn sogar aufzuheben, tragen, ihm so über dieses winzige Köpfchen fahren, dass, wenn er nicht aufpasst und die Ohren anlegt, er sich wehtun würde: er sich, nicht etwa ich ihm. Er weiß nämlich wie er das machen kann. Letztlich muss ich aber zugeben, dass er mich ganz schön an der Leine hat, wenn er einfach wegschaut und ich dann traurig werde oder wenn er nicht kommt, wenn ich ihn rufe, dass er dann halt nicht kommt.