Lüge

Das Nicht-Alles Sagen ist Lüge?- Alles Sagen wäre dann Wahrheit?
In der Wissenschaftstheorie mag das hinreichen als Aussage- trotzdem, sagt das Mitteilen von erkenntnisleitendem Interesse nicht schon Alles? Als ob es überhaupt die Möglichkeit gäbe, Alles zu sagen um nicht zu lügen. Nein. Bestimmte, fast alle Aussagen sind überflüssig.
Worüber man nicht reden kann, darüber muss man schweigen.
Wenn wir uns bemühen, eine Hypothese aufzustellen, ist allein schon dieser Prozess verschweigend, warum wir dies denn tun, wer uns bezahlt dafür und zu welchem hintergründigen Zweck denn später die dann gewonnen Erkenntnisse dienen mögen. Wir werden nie erfahren, was alles wahr ist. Es bleibt also nur das Bemühen herauszufinden was garantiert falsch ist und immer weiterzumachen um immer mehr über das Falsche herauszufinden immer näher sich zu wagen an das,  was ganz hinten im Bewusstsein als Wahrheit schimmert, wie ein Licht im Tunnel, nur um immer wieder festzustellen, dass der Tunnel in Abständen beleuchtet wird.
Und jenes, sich tagtäglich zu bemühen, mehr über das Falsche zu finden um immer wieder zu sagen was alles Falsch ist, jenes ist so traurig angesichts mancher Menschen, die zu wissen scheinen, was wahr sein muss, denen die Zweifel weniger wichtig sind als bestätigt zu bekommen, dass andere dies auch als wahr nehmen. Als ob wir wahr nehmen könnten wie am Markt!
Mich hat immer schon fasziniert, wie Gelehrte Naturwissenschaftler sonntags in die Kirche strömen um einem Kult zu huldigen, der auf einer Art metaphysischem Kannibalismus beruht. Diese Vorstellung der Teilhabe am Göttlichen durch Verzehren des Leibes des Gottes ist irgendwie sowohl mexikanisch als auch alt-afrikanisch.
Dieses ist das Dunkle, Absurde, in sich völlig widersprüchliche, das was Menschen als "Glauben" bezeichnen, wie eine den sonstigen Wirklichkeiten gegenüber querliegende Dimension mit eigener Geschichte, eigener Zukunft und den zwangsläufig auftretenden Missverständnissen an allen Grenzen und Schnittlinien dieser Dimension mit den üblichen Wirklichkeiten unseres Daseins im 21. Jahrhundert. Beim zweiten Lesen dieser Zeile musste ich für Wirklichkeit den Plural nehmen. Es gibt viele Wirklichkeiten.
Gebogene Dimensionen. Nehmen wir einfach an, es gäbe so viele Dimensionen wie es Bewusstseine gibt. Die Existenz an sich repräsentiert im Bewusstsein : Meine Existenz in meinem Bewusstsein.
Deine Existenz ist  von anderer Dimension. Die Dimensionen der Wirklichkeit wären dann wie ein waberndes Netz von Schnittpunkten all der vielen Dimensionen. Nun lehrt die Erfahrung, dass wir manchmal ähnliche oder gleichsinnige Dimensionen spüren, wo wir uns nahe fühlen, gleichsinnig, gleichgetaktet, uni-dimensional. Dann aber werden wir uns bewusst, dass wir von woanders herkommen und anderswohin gehen. Also verlassen wir willentlich oder unwillens jene Dimension um unserer eigenen Wege zu gehen.
So passiert es manchmal, in einem Augenblick, dass wir uns nahe fühlen, gleichsinnig, oft nur einen Augenblick lang- wie im Zug aneinander vorbei brausend, ein Blick hat ausgereicht um festzustellen, wie unendlich unabgeschlossen unsere eigene Dimension bleiben wird. Und schon hat sich unsere eigene Dimension verbogen, war einen Moment lang auch die eines andern, einen Moment lang mit herrlichen Aussichten, langen Träumen und ein Leben lang währenden Phantasien in der Berührung von Blicken. Nein, es ist offenbar, dass meine, zumindest meine, Dimension äußerst unregelmäßigen Gesetzen gehorcht. Beulen in der Biographie, Zacken im Gefühl, Brüche in der Geschichte- alles gehört zu dieser meiner Wirklichkeit und konstituiert kein mir erkenntliches Muster, das ich anlegen könnte an ähnliche Muster - es wird nicht passen. Plissierte Biografien. Wenn Herr und Hund sich ähnlich werden im Muster. Wer ist Herr und wer Hund?